„Systemsprenger“ ist ein Begriff, der Künstlerinnen und Künstlern, die sich als Avantgarde verstehen, eigentlich als Adelstitel gelten müsste. Keine Vorgaben, keine Regeln, keine Klassifizierungen. Stattdessen eine Kunst, die immer wieder bei null anfängt. Die statt mit vorgefertigten Bausteinen mit den eigenen Ideen spielt. Sich keiner Institution und keinem Abo-Publikum beugt, sondern ihre Kraft und Intensität allein aus sich selbst schöpft, dabei munter alle Genregrenzen ignorierend – und somit all jene infrage stellend, die brav dem Systemzwang gehorchen. Mit diesen Charakteristika ließe sich die Szene des freien Musiktheaters in Europa beschreiben. Und doch sind ihre Akteurinnen und Akteure mit dem Dasein als Outlaw unzufrieden.
Das zeitgenössische, unabhängige Musiktheater, schreibt Matthias Rebstock, Professor für Szenische Musik an der Universität Hildesheim, in dem 2020 im transcript Verlag erschienenen Band „Freies Musiktheater in Europa“, gleiche einem Kaleidoskop unterschiedlichster Formen und sei damit ein „Motor interdisziplinärer bzw. transdisziplinärer Kunst“. Genau deshalb aber arbeite es permanent an seinem Verschwinden. Je intensiver es sich nämlich auf seine transdisziplinäre Natur einlasse, desto größer sei der Verlust an Sichtbarkeit als eigenes künstlerisches Feld. In einem Kunstbetrieb, der nach wie vor disziplinär aufgestellt sei, so Rebstock, werde es somit zwischen den Sparten zerrieben. Die Folge: Eine eigene öffentliche wie auch...