Auftritt
Theater Freiburg: Wortoper
„Peer Gynt“ von Henrik Ibsen – Regie Yair Sherman, Bühne Roni Toren, Kostüme Polina Adamov, Musik Yehezkel Raz
von Bodo Blitz
Assoziationen: Theaterkritiken Baden-Württemberg Yair Sherman Theater Freiburg
Erschienen am 1.11.2024

Die Konstante im Bühnenbild, am rechten Rand: Ein großer Spiegel, ein Mikrofon, ein Stuhl. Die verschiedenen Peers in Yair Shermans opulentem Bühnenspektakel nehmen immer wieder dort Platz, vergewissern sich ihres Spiegelbildes, sprechen mikrofonverstärkt zum Publikum. Eine allegorische Lesart bietet sich an: Ibsens Protagonist ist ein Narzisst, selbstverliebt, mit dem Hang zur großen Geste, vom Applaus des Publikums abhängig. Bevor die Inszenierung beginnt, kündigt ein kleiner Junge den baldigen Anfang der „Show“ – verweist die Formulierung „Show“ doch auf das Moment der bühnenwirksamen Selbstinszenierung.
Der äußere Rahmen von Shermans zweiter Inszenierung am Theater Freiburg wirkt spannend und stimmig. Anstelle eines Hauptdarstellers übernehmen 13 Schauspieler:innen in abwechselnder Reihenfolge immer auch Peer, für das Publikum erkennbar über weiße T-Shirts mit der Aufschrift „Ich bin Peer Gynt“. Postmoderne Vielheit lässt sich in diese Regieidee hineinlesen, oder eben eine multiple Persönlichkeit. Diese Freiburger Peers durchlaufen keine Entwicklung, insofern sie nichts lernen. Als konzeptionelle Annäherung an Ibsens Figur, deren Leben von der Jugend bis zum Tode kritisch beleuchtet wird – eine durchaus radikale Herangehensweise. Peer, so könnte man es formulieren, wird dekonstruiert. An die Stelle des von ihm selbst so sehr gesuchten „Selbst“ treten ganz unterschiedliche Identitäten, erkennbar über die Rollenwechsel der Schauspieler:innen.
Diese wohlintendierte Dekonstruktion...
Erschienen am 1.11.2024