In der Berliner freien Szene werden die großen Fragen mittels Stream in die Wohnzimmer der Zuschauer projiziert. Wie funktioniert das: lieben, leben, arbeiten? Und wie wollen wir – zusammen – leben? Regisseur Jan Koslowski versucht ein Abschreiten dieser Fragen mit Brigitte Reimann. Die große DDR-Chronistin, die mit ihrem Tagebuchopus Walter Kempowski durchaus ebenbürtig ist, wird selbst zur Figur und kommt von der ostdeutschen Provinz in die südfranzösische Provence. Dort steht der Mont Ventoux und wartet darauf, erklommen zu werden, so wie Literatur darauf wartet, geschrieben zu werden. Arbeit also. Ob es einfacher dadurch wird, dass sie Francesco Petrarca zurate zieht, dem all das schon einmal müheloser gelungen ist, bleibt fraglich. Hier wird weniger gehandelt und mehr gedacht. Reimann-Versatzstücke werden mit allerhand Kalauern versehen.
Koslowski, der gemeinsam mit Marlene Kolatschny auch den Text mit dem programmatischen Titel „Brigitte Reimann besteigt den Mont Ventoux! – Der Film“ verfasst hat, gehört zur Generation der sogenannten Wendekinder. 1987 in Rostock geboren, verleugnet er ein ostdeutsches kulturelles Erbe nicht, sondern nutzt es als Material. Dennoch stellt sich der Eindruck ein, dass östliche Geschichte hier vor allem als Zeichenarsenal Verwendung findet. Die Zigarettenpäckchen schmückt der Aufdruck Ost. Aber könnte da nicht noch mehr sein? Wo liegen...