Etel Adnan liebt San Gimignano. Vor allem die Türme, die in den Himmel ragen und von fern viel höher erscheinen als aus der Nähe. Die Türme definieren den physischen Ort, und sie schaffen zugleich einen mentalen Raum. Starke Wesen, deren Präsenz Etel glücklich macht, da sie sich mit ihnen verbunden fühlt, sich gegen sie behaupten muss. Die Türme erzählen ihr die Geschichte des ehrgeizigen Strebens nach Macht und Ansehen. So war es schon in Babylon, im Mittelalter, und heutzutage ist es nicht anders. Sie erzählen ihr aber auch die Geschichte der Menschen, die in ihrer Enge lebten, des Windes, der sich unentwegt an ihnen bricht, der Vögel, die sie umkreisen, des Mooses, das sich an ihre Vorsprünge klammert. Etel Adnan nimmt die Energien der Türme wahr, vertikale Wesen, die sie anblicken, die ihrem Leben einen weiteren Bezugspunkt hinzufügen. Lange Zeit war es ein Berg, der im Zentrum ihres Daseins stand: der Mount Tamalpais im kalifornischen Marin County, nordwestlich von Sausalito, wo Etel Adnan ein halbes Jahrhundert lang lebte. Einmal wurde sie dort vor laufender Fernsehkamera gefragt: „Wer ist die wichtigste Person, der Sie je begegnet sind?“ Ihre prompte Antwort: „Ein Berg“, überraschte sie selbst vielleicht am meisten. Sie entdeckte, dass...