Theater der Zeit

von der pflicht zur kür

nachhaltigkeitsmanagement an der oper göteborg

von Annett Baumast

Erschienen in: Arbeitsbuch 2021: transformers – digitalität inklusion nachhaltigkeit (07/2021)

Assoziationen: Debatte Musiktheater Dossier: Klimawandel

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Das Opernhaus in Göteborg (GöteborgsOperan) ist ein Pionier im Hinblick auf die Verankerung von ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit im eigenen Betrieb. Seit Jahren werden Maßnahmen hinter den Kulissen umgesetzt, die in der Zertifizierung nach dem internationalen Standard ISO 14001 auch in der Kommunikation nach außen ihre Wirksamkeit entfalten. Mit der Inszenierung von Richard Wagners Der Ring des Nibelungen bringt Stephen Langridge das Thema Nachhaltigkeit ganz konkret auf die Bühne, während hinter den Kulissen die Möglichkeiten einer ökologisch und sozial nachhaltigen Inszenierung ausgetestet werden.

Ouvertüre: Der neidvolle Blick Richtung Norden

Das Thema Nachhaltigkeit ist – unter anderem durch einen von der Fridays-for-Future-Bewegung ausgelösten gesellschaftlichen Diskurs zu Klimawandel und Klimaschutz – auch in Kultureinrichtungen angekommen. Seit 2019 interessieren sich neben anderen Kultureinrichtungen und Bühnenhäusern auch Opernhäuser im deutschsprachigen Raum vermehrt dafür, wie sie sich nachhaltiger ausrichten und ihre Abläufe ökologisch und sozial verträglicher organisieren können. Richtet man den Blick etwas weiter gen Norden, so wird klar, dass der deutschsprachige Raum jedoch – wieder einmal – in Sachen Nachhaltigkeitsmanagement deutlich hinterherhinkt. Denn so, wie die Opernhäuser in Oslo (ab 2008) und Kopenhagen (ab 2005) von Beginn an auf einen nachhaltigeren Betrieb ausgerichtet sind1, ist auch das Opernhaus in Göteborg – GöteborgsOperan – ein Vorreiter in Sachen (ökologischer) Nachhaltigkeit und anderen Häusern weit voraus. Dies wäre Grund genug, um einen neidischen Blick gen Norden zu werfen, doch wie viel besser ist es doch, sich von den guten Beispielen inspirieren zu lassen und sich – im positiven Sinne – etwas abzuschauen.

Erster Akt: Nachhaltigkeitsmanagement als Forderung der Eigentümerin

Zunächst sollen die Rahmendaten der Göteborger Oper, die sich zu den führenden Häusern in Nordeuropa zählt, kurz vorgestellt werden. GöteborgsOperan wurde 1994 in einem Neubau direkt am Fluss Göta eröffnet und deckt seitdem die Sparten Tanz und Oper/Drama ab. 2016 übernahm die isländische Choreografin Katrín Hall die Leitung der Tanzsparte, seit 2020 ist Henning Ruhe, der ehemalige künstlerische Betriebsdirektor der Bayerischen Staatsoper, künstlerischer Leiter für den Bereich Oper/Drama. Mit rund 1.300 Sitzplätzen und 389 Aufführungen im Jahr 2019 konnte die Oper Göteborg über 300.000 Besucher*innen begrüßen.2 Das Haus ist als Aktiengesellschaft organisiert, und die Region Västra Götaland ist 100-prozentige Eigentümerin von GöteborgsOperan. Sie ernennt den neunköpfigen Vorstand, der das Haus mit den rund 550 Mitarbeitenden (Stand 2019) leitet.3

Verpflichtung zur Nachhaltigkeit durch die Eigentümerin

Wie viele andere Opernhäuser in Europa ist die Oper Göteborg damit eng in kommunale Strategien und Ziele eingebunden und in diesem konkreten Fall wie die Region selbst der ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit verpflichtet. Der Kulturausschuss der Region formuliert den konkreten Auftrag an das Opernhaus, der neben der künstlerischen Profilierung und dem Zugang zu Kultur für die Region auch Nachhaltigkeitsaspekte enthält. Die aktuelle Vereinbarung adressiert dabei explizit die „Agenda 2030“, die als internationales Leitbild insgesamt 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung umfasst.4

„Im September 2015 wurde die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung von den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen einstimmig verabschiedet. Mit der Agenda 2030 hat sich die Weltgemeinschaft 17 Ziele (Sustainable Development Goals, SDGs) für eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung gesetzt. Die 17 Ziele gelten universal und für alle Länder gleichermaßen. Sie reichen von der Beseitigung des weltweiten Hungers über die Stärkung von nachhaltigem Konsum und nachhaltiger Produktion bis hin zu Maßnahmen für den Klimaschutz.“5

Die aktuelle Vereinbarung ist eine Weiterschreibung von Bestrebungen, die bereits 2002 ihren Anfang nahmen, als die Region Västra Götaland von GöteborgsOperan forderte, ein systematisches Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsmanagementsystem aufzubauen. Diese Forderung traf auf bereits sehr engagierte Mitarbeitende, die sich in einer Arbeitsgruppe zu Nachhaltigkeit organisiert hatten. In den Folgejahren wurde ein Managementsystem aufgebaut, das sich an der internationalen Norm ISO 14001 orientiert.

Kurzer Blick auf die ISO 14001

Basierend auf der auch als Deming-Zyklus bezeichneten Abfolge plan – do – check – act, die zunächst vor allem durch Qualitätsmanagementsysteme bekannt wurde6, beinhaltet die ISO 14001 verschiedene Anforderungen an Unternehmen und Organisationen im Hinblick auf das Management von Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsthemen. Am Anfang des Prozesses steht eine „erste Bestandsaufnahme“7, in deren Rahmen festgestellt wird, welches die wesentlichen Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsthemen einer Organisation sind und wo sie diesbezüglich steht. Wurden beispielsweise die CO2-Emissionen als wichtiges Thema identifiziert, so könnte eine Erhebung des CO2-Fußabdrucks bzw. die Erstellung einer Klimabilanz eine Maßnahme zur Bestimmung des diesbezüglichen Status quo sein.8

In einem nächsten Schritt wird basierend auf den identifizierten wichtigen Themen und der Feststellung des Bestandes eine „Umweltpolitik“ entwickelt, die als Leitbild für das Nachhaltigkeitsmanagement einer Organisation fungiert. Auf einer meist eher allgemein gehaltenen Ebene hält die Umweltpolitik das Bekenntnis zu einem Engagement für Nachhaltigkeit sowie zur Verbesserung der eigenen Nachhaltigkeitsleistung fest und umfasst dabei idealerweise alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: Ökologie, Ökonomie und Soziales.

Neben der organisatorischen Verankerung des Managementsystems nach ISO 14001 im Management einer Organisation ist es wichtig, Programme zu entwickeln, die die Erreichung der selbstgesteckten Ziele und die Umsetzung der geplanten Maßnahmen unterstützen. Dabei ist es zentral, dass die Verantwortlichkeiten für Ziele und Maßnahmen festgelegt werden. Weitere Anforderungen der Norm beinhalten die Dokumentation des Systems, ein internes Audit sowie – für eine Zertifizierung – auch ein externes Audit durch eine Zertifizierungsorganisation. Betont wird zudem, dass das Managementsystem kontinuierlich verbessert werden soll, indem es an eine stetige Weiterentwicklung angepasst wird.

Es wird offiziell: ISO 14001-Zertifizierung/EMAS-Registrierung

Zehn Jahre nach dem Start der Auseinandersetzung mit der ISO 14001, also im Jahr 2012, fiel der Entschluss, GöteborgsOperan nach der internationalen Norm auch zertifizieren zu lassen. Zeitgleich mit der Zertifizierung des Nachhaltigkeitsmanagementsystems nach ISO 14001 wurde es nach EMAS – dem Environmental Management and Auditing Scheme der Europäischen Union – registriert. Dieses europäische Programm basiert ebenfalls auf der Einführung eines Umweltmanagementsystems nach der Logik der ISO 14001, stellt jedoch noch weitere Anforderungen an die Organisation wie zum Beispiel gewisse Publikationspflichten. Die Zertifizierung nach ISO 14001 muss in regelmäßigen Abständen erneuert werden, was bis heute der Fall ist. EMAS wurde nicht verlängert, da vor allem die Kommunikationspflichten als zu restriktiv erachtet wurden. Im Jahresbericht, der den jährlich erscheinenden Nachhaltigkeitsbericht enthält, publiziert Göteborgs-Operan zu den relevanten Nachhaltigkeitsthemen und beschreibt umgesetzte Maßnahmen sowie die Setzung und Erreichung von Nachhaltigkeitszielen.

Zweiter Akt: Nachhaltigkeitsthemen und -maßnahmen von GöteborgsOperan

Mit dem Nachhaltigkeitsbericht für das Jahr 2019 stellt das Göteborger Opernhaus allgemeine Informationen zu den Themenbereichen Organisation und Basis des Nachhaltigkeitsmanagements, Menschenrechte sowie Stakeholderdialoge zur Verfügung und berichtet vertieft zu folgenden Themen der drei Nachhaltigkeitsdimensionen:

–Soziale Verantwortung

• Mitarbeitende und Führung

• Arbeitsumgebung

• Gleichberechtigung und Vielfalt

• GöteborgsOperan als sozialer Akteur

• Kulturelle Teilhabe von Kindern und Jugendlichen

• GöteborgsOperan als Teil der Zivilgesellschaft

–Umweltverantwortung

• Umweltmanagementsystem nach ISO 14001

• Erhebliche Umweltauswirkungen und Identifikation

• von Risiken

• Umweltziele

• Umweltbezogene Schwerpunktbereiche

• Operninszenierung als Umweltprojekt

–Wirtschaftliche Verantwortung

• Beschaffung

• Geschäftliche Zusammenarbeit und Sponsoring

• Geschäftsethik

Als Beispiele der drei Dimensionen werden die Arbeit zu Gleichberechtigung und Vielfalt, die umweltbezogenen Schwerpunktbereiche und Ziele sowie das Thema Geschäftsethik kurz vorgestellt.

Federführend im Bereich Gleichberechtigung und Vielfalt ist die sogenannte JÄMÅ-Gruppe (nach den schwedischen Begriffen für Gleichberechtigung – Jämställhet – und Vielfalt – mångfald), die der Geschäftsführung berichtet. Das Ziel von GöteborgsOperan ist die Gleichstellung von Frauen und Männern an ihrem Arbeitsplatz, wozu unter anderem die Vereinbarkeit von Eltern und Arbeit, das Gleichgewicht der Geschlechter in den verschiedenen Berufskategorien, der Einstellungsprozess sowie auch die Bezahlung betrachtet werden. 2019 wurde in diesem Rahmen beispielsweise eine Bewertung aller Stellen im Hinblick auf ungleiche Bezahlung in vergleichbaren Positionen durchgeführt. Die Aufteilung der Geschlechter auf den verschiedenen Stufen ist der folgenden Tabelle zu entnehmen.

Unabhängig von Geschlecht, Identität, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, sexueller Orientierung oder Alter will GöteborgsOperan allen gleiche Chancen und Rechte einräumen. Dies prägt die Arbeit im Bereich Vielfalt. 2018 wurde zum Beispiel im Zuge einer nationalen Befragung im Rahmen der #MeToo-Bewegung eine eigene, weitergehende Befragung für die Mitarbeitenden von Göteborgs Operan entwickelt, und mit den Ergebnissen wurde in den verschiedenen Abteilungen weitergearbeitet. Seit vielen Jahren arbeitet das Opernhaus im Rahmen von Anti-Diskriminierung auch gegen sexuelle Belästigungen jeglicher Art und hat entsprechende Vorgaben und Prozesse entwickelt. Es gilt eine Politik der Nulltoleranz.

Zu den wichtigsten Themen in der Dimension der Umweltverantwortung zählen in den letzten Jahren Transporte, Energie, Produkte und Abfall, Chemikalien, Lebensmittel sowie die interne und externe Kommunikation von Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Für den Bereich der Mobilität hat sich GöteborgsOperan ganz konkret das Ziel gesetzt, die klimarelevanten Emissionen von Personen- und Güterverkehr zu senken, fossilfreies Reisen von Mitarbeitenden und Besucher*innen zu unterstützen und Dienstreisen zu kompensieren. Das Ziel, bis 2021 Personen- und Gütertransporte weitgehend ohne negative Auswirkungen auf das Klima durchzuführen, hat sich für die Oper Göteborg als große Herausforderung erwiesen. Durch die Umstellung auf Biodiesel bei eigenen Straßentransporten und das Management von Geschäftsreisen mit dem eigenen Pkw konnten die CO2-Emissionen in diesem Bereich von 24 Tonnen (2018) auf 21 Tonnen (2019) gesenkt werden. Der CO2-Fußabdruck aus Flugverkehr schwankt von Jahr zu Jahr und ist von Touren und Produktionen abhängig. So stiegen die Emissionen in diesem Bereich im Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr von 146 Tonnen auf 172 Tonnen an, was unter anderem in einer Tournee des Orchesters nach Japan begründet war. Neben Flugverkehr durch Tourneen wurden auch Flüge von Gastkünstler*innen als CO2-Treiber identifiziert. Das Opernhaus gibt an, sich auch in Zukunft kontinuierlich im Dialog zwischen dem regionalen, nationalen und globalen Austausch in den Künsten und den möglichen Auswirkungen auf das Klima zu engagieren. Für die eigenen Mitarbeitenden unterstützt das Opernhaus den Kauf von Jahreskarten für den öffentlichen Verkehr und ermutigt die Mitarbeitenden, den Arbeitsweg mit dem Fahrrad zu bestreiten.

Zur wirtschaftlichen Verantwortung zählt unter dem Aspekt einer guten Geschäftsethik für die Oper Göteborg auch die Einhaltung der Richtlinien der Region Västra Götaland gegen Korruption und Bestechung sowie das Mitarbeiterhandbuch der GöteborgsOperan und weitere Grundlagendokumente in diesem Kontext. Hierzu gehören auch die Werte, die das Opernhaus für sich erarbeitet hat, und wiederum eine Nulltoleranzpolitik im Hinblick auf Korruption, Bestechung und Interessenkonflikte.

Dritter Akt: Vorhang auf für das Ring-Projekt

Im Jahresbericht 2016 beschreibt die Oper Göteborg ein großes Projekt – nicht nur unter künstlerischen Gesichtspunkten: Von 2018 bis 2021 soll Richard Wagners Der Ring der Nibelungen inszeniert, eine Oper pro Jahr auf die Bühne gebracht werden. Die Prämisse der Inszenierungen: Sie sollen so umweltfreundlich und klimaneutral wie möglich werden und als Experimentierfeld für nachhaltigere Opern dienen. Die Produktionen sollen ein Anlass sein, um möglichst viele Ansätze ökologisch verträglicher bzw. klimafreundlicher Alternativen zu erproben oder gemeinsam mit Partner*innen zu entwickeln.

Das Rheingold und Die Walküre

Die erste der vier Opern, Das Rheingold feierte am 17. November 2018 Premiere und konnte bereits verschiedene umweltfreundliche Maßnahmen in die Produktion einfließen lassen, von denen die folgenden nur einen Ausschnitt darstellen:

–Die Kulissen wurden aus Holzwerkstoffen gefertigt, die aus Holzabfällen hergestellt werden. So werden diese für die Zeit ihrer Nutzung zu CO2-Senkern, indem das gebundene CO2 nicht freigesetzt wird.

–Kunststoffmaterialien (wie PVC), die traditionell für den Bühnenbau verwendet werden, wurden durch Segeltuch oder Zellkunststoff ersetzt, ungesunde Klebstoffe konnten mit Tapetenkleister auf Stärkebasis ersetzt werden.

–Bäume für das Bühnenbild wurden aus Rohzellstoff und einem vollständig recycelbaren Kartonmaterial sowie aus alten Kartons und Verpackung hergestellt.

–Für das Make-up wurde auf umweltverträgliche Produkte ohne Konservierungsmittel zurückgegriffen.

–Beschichtungen wurden mit Kartoffelstärke als Bindemittel anstelle von Acrylat hergestellt.

–Bei den Kostümen kamen pflanzliche Färbemittel zum Einsatz.

–Eines der Kostüme wurde aus schwedischem Stahl gefertigt, der im Grunde beliebig oft recycelt werden kann.

–Für das Bühnenbild wurden Standardmaße verwendet sowie Requisiten aus dem Fundus und Secondhand-Dekorationen.

–Ein digitaler Visualisierungstisch ersetzte Lichttest mit Schweinwerfern.

–Die Zusammenarbeit mit anderen Opernhäusern in Europa im Hinblick auf eine nachhaltigere Produktion in den darstellenden Künsten wurde intensiviert.

Die verschiedenen Maßnahmen illustrieren, dass bei diesem Ring-Projekt das Thema Nachhaltigkeit umfassend mitgedacht und viel Neues ausprobiert wird. Künstlerisch sind jedoch keine Abstriche gemacht worden, und Tonkin geht sogar so weit festzustellen, dass sich diese „Idee einer ‚grünen‘ Produktion wie eine tief verwurzelte Interpretation [anfühlt], nicht als Gimmick, um zeitgenössische Trends nachzuahmen“.9

Gut ein Jahr später, am 1. Dezember 2019, fand die Premiere des zweiten Teils von Wagners Ring statt: Die Walküre wurde an der Oper in Göteborg gezeigt. Und mit ihr wurden nicht nur die bereits erprobten Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt und weiterentwickelt, sondern auch weitere Möglichkeiten einer umwelt- und klimafreundlichen Opernproduktion erprobt.

Ungefähr zur Drucklegung dieses Beitrags feierte Teil drei des Rings, Siegfried, mit Pandemie-bedingter Verspätung im Frühjahr 2021 seine Premiere online.

Gutes tun und darüber sprechen: Kommunikationskampagnen der ersten beiden Inszenierungen

GöteborgsOperan hat sich neben anderen Zielen im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements auch die verstärkte Kommunikation zu Nachhaltigkeitsthemen als Ziel gesetzt. In diesem Kontext sind zum Rheingold und der Walküre zwei Kommunikationskampagnen gestartet worden, die das Thema für die Zuschauer*innen direkt in einen inhaltlichen Zusammenhang mit den Operninszenierungen setzen.

Für Stephen Langridge, den Regisseur des Ring des Nibelungen, ist das Umweltthema zentral für das gesamte Werk. So beginnt Das Rheingold – die Eröffnung des Ring-Zyklus – gleich mit einem Angriff auf die Natur: Der böse Alberich stiehlt das Gold vom Grund des Rheins und setzt damit eine Abwärtsspirale aus Mord, Machtmissbrauch und Umweltzerstörung in Gang.10

Für die Kommunikationskampagne zu Rheingold haken die Verantwortlichen genau an diesem Punkt ein und übertragen die Fragestellung des nicht nachhaltigen Umgangs mit Ressourcen auf die heutige Zeit. Was ist das Gold unserer Zeit? Und was ist eigentlich (relativ) einfach verfügbar? In Beantwortung dieser Frage widmet sich GöteborgsOperan dem Thema Elektro-Schrott, das als eine der größten Umweltherausforderungen der nächsten Jahre gilt und gleichzeitig quasi ubiquitär verfügbar ist. Mit der Kampagne zu Das Rheingold wurde das Publikum der Oper in Göteborg daher aufgefordert, nicht mehr verwendete, aber noch aufbewahrte Mobiltelefone abzugeben und damit an einer Verlosung für ein VIP-Package teilzunehmen. Denn die Materialien, aus denen Mobiltelefone hergestellt werden, können tatsächlich als das „Gold von heute“ gelten, das ungenutzt in Millionen europäischer Haushalte vor sich hindämmert. Im Zuge der Kampagne konnten fast 1.200 Mobiltelefone eingesammelt und dem umweltgerechten Recycling zugeführt werden.

 

Tabelle 1: Verteilung der Geschlechter an GöteborgsOperan 2017–2019 (Quellen: Nachhaltigkeitsberichte der Oper Göteborg 2017 – 2019, eigene Zusammenstellung)

Die Walküre veranlasste das Team der Oper in Göteborg dazu, sich zu fragen, wer denn die Heldinnen und Helden der heutigen Zeit sind. Vor dem Hintergrund anspruchsvoller Klimaziele der Region Västra Götland und damit auch Schwedens insgesamt schälte sich die Klimaheldin bzw. der Klimaheld schnell als relevante Figur heraus. Dies führte zu einer „Klima-Challenge“ des Opernhauses, in der das Publikum aufgefordert wurde, zunächst den eigenen CO2-Fußabdruck zu berechnen, um sich dann zu Maßnahmen zur Reduktion desselben zu verpflichten. Auch hier gab es wieder eine Verlosung, der Gewinn bestand aus einem Opernbesuch sowie einem Besuch im als nachhaltig zertifizierten Restaurant des Opernhauses. Über 720 Besucher*innen haben an dieser Challenge teilgenommen und sich zu Maßnahmen verpflichtet, die mehr als 1.229 Tonnen CO2-Emissionen einsparen.

Auf kreative Weise hat es GöteborgsOperan mit diesen Kampagnen geschafft, nicht nur Aufmerksamkeit für die nachhaltige Produktionsweise von Das Rheingold und Die Walküre zu lenken, sondern gleichzeitig eine Verbindung der eigenen Arbeit mit den großen Herausforderungen unserer Zeit herzustellen.

Schlussakt: Fazit und abschließende Bemerkungen

Zu Nachhaltigkeit gehört mehr als nur die ökologische Dimension, die in diesem Beitrag im Vordergrund stand. Auch bezüglich sozialer Nachhaltigkeit ist GöteborgsOperan aktiv und hat in diesem Bereich in den letzten Jahren verschiedene Maßnahmen umgesetzt: Neben dem bereits genannten Anstreben eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses bei den Beschäftigten, das auch an der Spitze des Hauses deutlich wird, hat sich beispielsweise das Projekt „The sustainable dancer“ der Gesundheit der Tänzer*innen des Hauses gewidmet.11 Und auch das Publikum steht im Fokus: Neben der physischen Barrierefreiheit des Hauses richtet sich GöteborgsOperan mit „relaxed performances“ an Besucher*innen, für die ein informelles Umfeld wichtig ist, in dem sie sich bewegen, tanzen, singen und frei in den Zuschauerraum eintreten und ihn wieder verlassen können.12

Die Oper in Göteborg kann als Pionierin unter den Opernhäusern Europas betrachtet werden, und es sollte gelten, sich von Pionier*innen dieser Art inspirieren zu lassen und vor allem Anregungen zu suchen, die in der eigenen Praxis – direkt oder in abgeänderter Form – umgesetzt werden können.

 

 

 

Gekürzter Wiederabdruck mit freundlicher Genehmigung des DUZ Medienhauses Berlin. Erstveröffentlichung dieses Textes in: Handbuch Kulturmanagement, 75. Ausgabe, 2021.

1Vgl. Schwarz-Peters, S.: „Oper als Klimakiller?“, in: Oper! Das Magazin, Mai 2020, S. 12–15.

2Sofern nicht anders ausgewiesen, basieren die im Text genannten Informationen zu GöteborgsOperan auf den von 2017 bis 2020 veröffentlichten Jahresberichten der Oper, die auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung des Hauses beinhalten, abrufbar unter https://www.opera.se/bolagsdokument/ [21.05.21].

3Vgl. Västra Götalandsregionen: „Uppdragsbaserat verksam-hetsstöd till styrelsen för GöteborgsOperan AB 2021–2024“, 2020, https://gocmsprod.azurewebsites.net/media/o2fb4otw/uvs_goab_2021_2024.pdf [21.03.2021].

4Vgl. ebenda.

5BMZ – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (o. J.): „Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, https://www.bmz.de/de/themen/2030_agenda/index.html [21.03.2021].

6Vgl. Baumast, A.: „Umweltmanagement im Theater“, in: Bühnentechnische Rundschau, Heft 3, Juni 2009, S. 40–43, https://kultur-nachhaltig.de/wp-content/uploads/2015/01/BTR_03_2009_40-43_Umweltmanagement-im-Theater.pdf [21.05.21].

7Zu den Bestandteilen der ISO 14001 vgl. hier und im Folgenden Günther, E.: „DIN EN ISO 14001“, in: Gabler Wirtschaftslexikon, 2018, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/din-en-iso-14001-52305/version-275445 [21.05.21].

8Vgl. Baumast, A.: „Ökologische Nachhaltigkeit messbar machen. Konzepte verstehen und im Kulturbetrieb anwenden“, in: Kulturmanagement Network Magazin, Nr. 158, 2021, S. 14–19, https://www.kulturmanagement.net/dlf/2d62d7fdaaa6c1b14722da5a1dcec61a,8.pdf [21.05.21].

9Tonkin, B.: „theartsdesk in Gothenburg – Wagner’s gold turns green“, 2018, https://theartsdesk.com/opera/theartsdesk-gothenburg-wagners-gold-turns-green [21.03.21].

10 Vgl. GöteborgsOperan, „Das Rheingold – the journey towards Götterdämmerung finally begins“, in: Press release vom November 2018, https://www.mynewsdesk.com/se/goteborgsoperan/pressreleases/das-rheingold-the-journey-towards-goetterdaemmerung-finally-begins-2793936 [21.03.21].

11 Vgl. GöteborgsOperan (2020): The sustainable dancer, short version, https://vimeo.com/383234534 [21.03.21]

12 Vgl. GöteborgsOperan (2020): Relaxed performances, https://www.opera.se/en/what-s-on/relaxed-performances/ [21.03.21]

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