Schauspiel Leipzig: Call me by your Spielernummer
“zwei herren von real madrid“ von Leo Meier – Regie Albrecht Schroeder, Bühne und Kostüm Pascal Seibicke
von Lara Wenzel
Assoziationen: Sachsen Theaterkritiken Schauspiel Leipzig

Eine höfliche Unterhaltung über das leise Gehen. So beginnt die „Meet Cute“ Liebesgeschichte über zwei Männer, die sich mitten im Wald in ein schüchternes Gespräch verwickeln. Unsicher entschuldigen sich die „Zwei Herren von Real Madrid“, die in Leo Meiers Stück zueinander finden, für jede Kleinigkeit und beteuern genauso oft, wie sehr sie die Gegenwart des anderen genießen. Im Gespräch über Belanglosigkeiten und den Tod entspinnt sich eine hinreißende „gay panic“ – eine Nervosität in der Nähe einer Person des gleichen Geschlechts, zu der man sich hingezogen fühlt – zwischen den beiden Profifußballern, die die Inszenierung von Albrecht Schroeder durch die 90 Minuten Spielzeit schweben lässt.
Schauspieler Denis Grafe und Matthis Heinrich, der derzeit an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig studiert, erzeugen von Beginn an eine so liebevolle Atmosphäre zwischeneinander, dass auch das Publikum mitschmunzeln muss. Alle im Raum sind Schock-verknallt. Doch, wie bei jeder guten romantischen Komödie, liegt ein steiniger Weg vor dem Paar, das offiziell noch nicht zusammen ist. Auch wenn es im Profifußball immer wieder Zeichen für LGBTIQ-Rechte gesetzt werden, haben sich nur wenige Spieler in der Spitzenklasse geoutet. Es reicht eben nicht, ein Stadion in Regebogenfarben anzustrahlen oder während der WM in Katar, wo nach Rechtsprechung auf Grundlage der Scharia homosexuelle Menschen die Gefängnisstrafe droht, die „One Love“-Binde zu tragen – oder dann auch wieder nicht. Im deutschen Profifußball gibt es derzeit keinen geouteten Sportler, heißt es in der Sportschau vom 01. Februar 2022. Auch Thomas Hitzlsperger, der für seinen mutigen Schritt gefeiert wurde, äußerte sich erst nach dem Karriereende 2014 zu seiner Homosexualität. Trotz überschwänglichem Lob gab es kaum Nachahmer, wohl weil viele einen öffentlichen Backlash und Diskriminierung durch die Kollegen befürchten.
In der Inszenierung in der Diskothek des Schauspiels Leipzig spielt der gesellschaftliche Kontext nur hintergründig mit. Vielmehr liefert sie einen magisch-realistischen Gegenentwurf, in dem neben geouteten Profifußballern auch Haustierdrachen existieren. Hier freuen sich alle über das süße Paar, das langsam bei einem Weihnachtsessen im Kreis der Familie zutraulicher wird. Die Eltern des Stürmers, gespielt von Annett Sawallisch und Markus Lerch, sind aufgedreht und ihrer Position entsprechend ein bisschen peinlich. Wie schon das vorweihnachtliche Training bei Real Madrid spielt die Szene oberirdisch auf dem Rasen, der zur Zuschauertribüne hin steil abbricht. Das Bühnenbild von Pascal Seibicke, der ebenfalls die Kostüme entwarf, schafft in der schlichten Gestaltung einen Bruch zwischen oben und unten, sichtbaren und unsichtbaren Annäherungen.
Auf dem Rasen stehen die berühmten Sportler im Scheinwerferlicht der Aufmerksamkeit. Nach dem Tod der Stürmer-Mutter – sie war allergisch auf das Bananenbrot des Mittelfeldspielers, das von Leonard Meschter in einer herausragenden Kuchen-Dragperformance verkörpert wurde – küssen sich die zwei Herren zum ersten Mal. Prompt schießt die Paterin, die in der Trauerrede ihre verhinderte Comedian-Karriere nachholt, ein Foto und verkauft es für einen Fuffie an die Klatschpresse. Bei der Pressekonferenz schiebt sich die Realität in die zarte Verbindung. Nicht nur sponsert Fly Emirates, die staatliche Fluggesellschaft des queerfeindlichen Emirats Dubai, den Verein, auch prasselt es Fragen zum Privatleben des Paars. Zum Glück geht der hochgedopte Teamkapitän Sergio Ramos dazwischen, für dessen Darstellung Wenzel Banneyer von oben bis unten mit Klebetattoos bestückt wurde, und monologisiert anrührend über die Endlichkeit des Fußballruhms. Eine lebensverändernde Erkenntnis für den Profi, die nur von der Neuigkeit getoppt wird, dass der Mittelspieler für 150 Millionen Ablöse zu einem anderen Verein und damit den Wohnort wechselt. Zärtlich, komisch und die Realität an den richtigen Stellen magisch ergänzend, findet die wohl höflichste Liebesgeschichte aus der Welt des Fußballs ein verfrühtes Ende.
Erschienen am 4.2.2023