Antike Tragödie und Wege zum No
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Assoziationen: Theatergeschichte Asien
Die Großen Dionysien, die jährlich im März stattfindende praktische Auseinandersetzung mit dem Gott Dionysos, wurden das zentrale festlich-rituelle Ereignis Athens, nachdem Peisistratos sie in der Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. als Staatskult erneuert oder ersetzt hatte.120 Staatstragende Haltungen und Vorgänge sowie herrschende Werte ausstellend, feierten sie gleichsam die absolute Legitimität des jetzt bestehenden sozialen und politischen Geflechts. Ihre herausragende innenpolitische wie außenpolitische Rolle betonten theatrale Auszeichnungen griechischer Bürger, die Freilassung von Inhaftierten und andere hochpolitische Akte sowie die Teilnahme von Fremden aus allen Teilen Griechenlands.121
Das eigentliche Fest begann mit einem feierlichen Umzug, in dem Opfertiere und Phalloi mitgeführt wurden. An verschiedenen Altären machte man Halt, um Tänze zu veranstalten. Im Laufe der Prozession wurden Preislieder, die Dithyramben, zu Ehren des Dionysos aufgeführt. Bevor man am nächsten Tag das ausdifferenzierte Theater spielte, zogen die Kriegswaisen, die das wehrfähige Alter erreicht hatten, in den Theaterraum, in voller Rüstung, die ihnen die Stadt geschenkt hatte. Sie saßen auf besonderen Plätzen. Das Volk habe, verkündete der Herold, diese jungen Männer, deren Väter sich als tapfere Männer erwiesen hätten, aufgezogen und entlasse sie jetzt unter Glückwünschen in die Selbstständigkeit.122
Im 5. Jahrhundert dauerte das Fest mindestens fünf Tage. Seine...