Nachruf
Tal des Erstaunens
Ein Nachruf auf Peter Brook (1925–2022)
von Renate Klett
Erschienen in: Theater der Zeit: BRACK IMPERieT – „Hedda Gabler“ von Vegard Vinge und Ida Müller in Oslo (09/2022)
Peter Brook war der Theaterkönig seiner Zeit, ein sanfter Mensch, der die Schauspieler:innen animierte, statt sie zu bevormunden, vergrößerte, statt sie zu begrenzen. Er schaffte es, die Zuschauer mitzunehmen in eine verwandelte Welt, aus der sie beglückt in die Realität zurückkehrten. Jeder Besuch in seinem Theater ließ einen ahnen, dass diese Welt unermesslich und wandelbar ist.
Er war begeisterungsfähig, sehr weich und höflich, aber er konnte auch anders.
Sein wunderbares Stück „L’homme qui“ nach dem Text von Oliver Sacks war eine Koproduktion mit Theater der Welt 1993 in München. In der Vorbereitung schickte Brook mehrfach Mitarbeiter zu uns, die den Theaterraum inspizierten, vermaßen, fotografierten und aus diversen Blickwinkeln filmten. Sie schienen sehr zufrieden, verlangten jedoch einen neuen Anstrich der Bühne, den wir in aufwendigen Nachtschichten ausführten. Peter Brook kam erst sehr spät dazu, klopfte hier, vermaß dort und sagte schließlich sehr freundlich und bestimmt: „Hier kann das Stück auf keinen Fall stattfinden“. Wir zeigten ihm die Theatersäle Münchens – nur der Marstall gefiel ihm. So weit so gut, aber natürlich waren in all diesen Sälen bereits andere Festivalaufführungen geplant. Wir fluchten, heulten, kämpften – und disponierten um, bekamen schließlich auch alles hin, aber es war eine Riesenkiste. Andererseits: Für wen,...