Magazin
Der Sichtbarmacher
Zum Tod von Harun Farocki
von Matthias Dell
Erschienen in: Theater der Zeit: This Girl: Die Schauspielerin Johanna Wokalek (09/2014)
„Kennen Sie das Broker-Posing?“, fragt der smarte, aber auch etwas verloren wirkende Venture-Kapitalist Philipp (Devid Striesow) Nina Hoss’ zerzauste Titelfigur. „So junge Anwälte in beschissenen Grisham-Filmen“, fährt er fort, ohne eine Antwort abzuwarten, „ich mag das eigentlich nicht, so in Verhandlungen dazusitzen, aber das hat seine Wirkung.“ Philipp und Yella sind auf dem Weg zu Leuten, die Geld wollen, das ihnen keine Bank geben würde, zu einer Verhandlung (Kredit gegen Anteile), die ein riskantes Spiel ist. Und weil sie Spiel ist, braucht es Theater: die Verabredung von Zeichen, die Eindruck machen.
An dieser Szene aus „Yella“ (Regie Christian Petzold, 2007), dem Film eines anderen, lässt sich beschreiben, worin Harun Farockis Arbeit bestand und wie groß ihre Wirkung war. Der 1944 im heute tschechischen Nový Jicín als Sohn eines indischen Arztes geborene Farocki hat mit Petzold an den Drehbüchern zu dessen Filmen gearbeitet, bei „Yella“ kann man seine Koautorschaft besonders gut erkennen. Die Verhandlungsszene sieht nämlich aus wie eine Fiktionalisierung von Farockis Dokumentarfilm „Nicht ohne Risiko“ (2004), der die Gespräche zwischen Unternehmern und Geldgebern beobachtet: ein funktionales und nicht besonders großes Büro, zwei Männer links, zwei Männer rechts (zumeist, am Ende, in einer Pause, rutscht auch mal eine Frau in den...