Auftritt
Dresden: Vier Fäuste und kein Halleluja
Staatsschauspiel Dresden: „Faust I“ von Johann Wolfgang von Goethe. Regie Linus Tunström, Ausstattung Esther Bialas
von Michael Bartsch
Erschienen in: Theater der Zeit: Je suis Charlie (02/2015)
Sterile Krankenhauskulisse, einzig durch Pflanzen in der Raucherinsel verfreundlicht, links ein Arzneischrank, rechts ein Getränkeautomat, hinter einer Glaswand wird offenbar erfolglos operiert bis zum Aussetzen der Herztöne. Im Vordergrund Leidende im Rollstuhl, im Rollbett, in Schlafanzug und Bademantel oder Jackett. Ungefähr die Stimmung also, in der sich Faust am Beginn der Tragödie befindet, wenn er zur erlösenden Phiole greifen will. Langes Schweigen, und man wird neugierig, wie die Stellvertreter einer kranken und trostlosen Welt aus ihren stummen Rollen heraus und in den Goethe-Text kommen wollen. Mit der Krankenhaus-Metapher ist es beim stammelnden „Habe nun, ach!“ erst einmal vorbei, bis zum Finale die Anfangskonstellation noch einmal auftaucht. Schon bei der Geisterscheinung kippt die Szene mit Theaterblitzen ins Konventionelle, bevor es mit allerlei originellen Variationen des multikompatiblen Stoffes weitergeht.
Es folgen noch einige logische Holperstellen beim schwedischen Theaterdirektor Linus Tunström aus Uppsala, der erst zum zweiten Mal im deutschsprachigen Raum arbeitet. Das Dresdner Staatsschauspiel setzte auf faustische Neugier bei uns, wenn es einen Nichtdeutschen dieses deutsche Welttheater angehen lässt. Nach diesem Zwei-Stunden-„Fäustchen“ lacht man sich zwar nicht in dasselbe, ballt aber auch keine Faust in der Tasche, sondern geht seltsam achselzuckend an Wichtigeres.
Tunström hat erklärtermaßen gar nicht erst versucht, „Faust I“...