Arne Vogelgesang recherchiert seit mehreren Jahren intensiv zu rechten Netz-Communitys, die sich auf digitalen Plattformen wie Reddit oder 8chan organisieren, austauschen und einen gemeinsamen Nenner in verschwörungstheoretischen, demokratiefeindlichen und misogynen Ideologien finden. Die Vernetzung und Politisierung von Gruppen wie den Reichsbürger*innen oder dem QAnon-Netzwerk hat die Grenzen des digitalen Raums längst verlassen und wirkt in die analoge Gegenwart zurück: Attentate, Demonstrationen und Angriffe auf staatliche Institutionen wie das Washingtoner Kapitol oder den Berliner Reichstag im Zuge der Corona-Proteste sind die medienwirksame Spitze eines Eisberges, der sich aus den Echokammern und Filterblasen des Netzes und der sozialen Plattformen erhebt. Arne Vogelgesangs Interesse an diesen Gruppen und Phänomenen reicht über deren politische Implikationen hinaus: Er betrachtet sie aus einer theatralen Forscherperspektive. Denn Rollenspiel, Inszenierung, Narration und ästhetische Transgression sind Kategorien, ohne die ein Phänomen wie QAnon, das einem überlebensgroßen, labyrinthischen Live-Rollenspiel gleicht, nicht auskommt. Gerade der Spielcharakter ist für viele dieser Gruppen zentral, unabdingbar und gemeinschaftsstiftend: Sei es die aggressiv-misogyne „Flirttechnik“ der sogenannten Pick-up-Artists, die nach einer konkreten Handlungsanleitung agieren, oder die Schnitzeljagd der Q-Anhänger*innen nach der Super-Weltverschwörung, die sie weiter in wahnhafte Fiktion treibt – Phänomene wie diese lassen sich als alternative Theaterkonzepte begreifen und lösen unser herkömmliches Verständnis von „Bühne“...