Koloniales Begehren
von Julius Heinicke
Erschienen in: Recherchen 148: Sorge um das Offene – Verhandlungen von Vielfalt im und mit Theater (05/2019)
Assoziationen: Slavoj Žižek Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Nicht nur Marx und Engels greifen im Kommunistischen Manifest,105 das im Arbeitspotenzial des Knechts ein Überlegenheitsmoment gegenüber dem Herrn sieht und somit das Spannungsverhältnis als Motor des Klassenkampfs begreift, auf Hegels Metapher zurück. Auch Intellektuelle der Négritude, des Panafrikanismus, Multikulturalismus, Postkolonialismus und zuletzt Žižek beziehen sich auffallend häufig darauf; allerdings äußert sich hierin eher eine postkoloniale Ambivalenz, bisweilen auch Resignation. Auf den ersten Blick liegen die Parallelen zwischen den Unabhängigkeitskämpfen gegen die Kolonisierung und Apartheid mit dem „Kampf um Leben und Tod“ des Hegel’schen Herrn und Knecht auf der Hand, allein schon in der Vergegenwärtigung der von Buck-Morss herausgearbeiteten zeitlichen und inhaltlichen Nähe von dessen Entstehungsgeschichte zum Aufstand in Haiti. Neben dieser historischen Korrelation scheint der rege Rückbezug auf Hegel zudem einleuchtend, da dieser den Zusammenhang zwischen global-kolonialem Welthandel und der zunehmenden Genuss- und Raffgier der westlichen Welt auf „Kolonialwaren“ und exorbitanten Reichtum aufzeigt, was gleichzeitig zum Ausbluten und Ausschlachten ganzer Kontinente, deren Bevölkerungen und Ressourcen führte:
In den Jenaer Schriften bezieht sich der zentrale Hegelsche Begriff der „Entäußerung“ auf die ganz alltägliche menschliche Arbeit; „Negation“ ist Hegelianisch für die Begierde des Genusses; und historisch erzeugte Bedürfnisse (die im Gegensatz stehen zu natürlichen Notwendigkeiten) werden dargestellt am Beispiel...