Mittendrin. Im Zentrum. Im Mittelpunkt. Das ist eine privilegierte Position. Aber auch eine exponierte. Je nachdem, wie man es nimmt: Man ist herausgehoben, vor allen anderen. Oder aber: eingekeilt, dem Druck ringsum ausgesetzt. „Europe Central“ heißt der Tausend-Seiten-Wälzer von William T. Vollmann, US-Autor mit deutschen Wurzeln. Der Titel seines Romans meint Mitteleuropa, das im 20. Jahrhundert im Fokus der Geschichte stand. Mit eurozentristischer Weltsicht hat das nur entfernt zu tun. Eher mit einem Zustand des Zerrieben-Werdens zwischen zwei totalitären Systemen: Faschismus und Stalinismus.
Exemplarisch: die Schicksale berühmter Künstlerpersönlichkeiten. Die Bildhauerin Käthe Kollwitz, die bereits im Ersten Weltkrieg einen Sohn an der Front verliert und ihre antiheroische Kunst im Nationalsozialismus nicht mehr ausstellen darf. Die Dichterin Anna Achmatowa, die sich unter Stalin dem Vorwurf der Dekadenz ausgesetzt sieht. Sowie der Komponist Dmitri Schostakowitsch, der in der Sowjetunion mal als Volksheld verehrt, mal als Staatsfeind bedroht wird. Ihre Biografien bilden die verlässlichen Leitmotive im Gespinst polyphoner Perspektiven, als das Vollmann sein Buch angelegt hat.
Für das Theater Augsburg hat nun Hausregisseurin Nicole Schneiderbauer dieses Monumentalwerk adaptiert, als Eröffnungsproduktion in der neuen Ausweichspielstätte „brechtbühne im Gaswerk“, einer formidablen Industriekathedrale im Stadtteil Oberhausen (das Haupthaus wird seit Januar 2019 generalsaniert). „Europe Central“ hat es...