Dieser Abend bunkert strapaziöse, peinliche und langwierige Momente, mit Betonung auf Momente. Daneben gelingt dem bilderstürmenden Regisseur Robert Borgmann nämlich eine ungeheuerliche Deutschland-Austreibung, die den „Urfaust“ zum Ausgangspunkt einer nationalen Selbsterkundung nimmt. Dabei kommt alles auf den Prüfstand: Kultur, Politik, Menschenbild, Geschichte.
Zu Anfang äußert sich das in einem wilden Potpourri, das den Faust-Monolog mit deutschen Volksliedern, Schlagern der Neuen Deutschen Welle und Positionen der Roten Armee Fraktion kreuzt, bis endgültig klar ist, wo wir uns befinden: im deutschen Untergrund. Fußball, ein bisschen Frieden und Holocaust schneidet der Abend unverfroren zu einer einzigen Grimasse, dazu ertönt live eingespielte Gespenstermusik. Die Bühne gleicht einer Wunderkammer, links eine schäbige Wand mit grüner Tür ins Nirgendwo, dahinter ein paar mickrige Birkenstämme, vorne eine Sitzgruppe, rechts weiteres Mobiliar und romantisch gemeinte Kreidefelsen. Hier und dort brennen Kerzen in sakralem Ambiente. Anfangs sind die Figuren schwarz angezogen und tragen etwas zu Grabe, das durchaus Deutschland sein könnte. Ein Requiem ist dieser Abend nämlich auch, eine Messe für eine Nation und den Mythos vom alten Manne, dem die Jugend zum Verhängnis werden möchte.
Faust tritt in Mainz in der schön rauschhaft kaspernden Gestalt von Stefan Graf auf, zuerst junger agiler Triebtäter, später traurig starrender Greis, dem...