Freund Tragelehn
Eine Langzeitbeobachtung
Erschienen in: B. K. Tragelehn – Im Sturz. Sag Ja. Geh weiter. (04/2023)
Assoziationen: Akteure B. K. Tragelehn
I
Auf B. K. Tragelehn, den ich einfach Klaus nenne, blicke ich aus zwei Perspektiven. Die eine ist griffbereit: die Bücherperspektive. Ich steige auf die Leiter oder kniee mich auf den Boden, da sind sie, die Tragelehn-Bände, Gedichte, Übertragungen, Theaterschriften, auch ein Theaterstück ist dabei; es heißt „Die Aufgabe“ und nicht nur, weil darin von einer solchen die Rede ist, sondern auch, weil es sich um ein als Fragment aufgegebenes Werk handelt, das den Autor aus dem Innern des Stoffes so nah an immanente Aporien des sozialistischen Wirtschaftens heranführte, dass er es aufgab und das Ganze vergaß. Erst, als die Wirklichkeit dreißig Jahre später das Ende des Stücks geliefert hatte, fiel ihm das vergessene wieder ein; er fand das Skript in einem Winkel seines als umfangreich vorzustellenden Schreibtischs. Die im Aufbau-Verlag überlebende Zeitschrift „Neue Deutsche Literatur“ druckte das Fragment 1994 mit einem Präludium von mir, in dem ich der Realgeschichte des Landes die Strukturen eines fünfaktigen Dramas nach dem von Aristoteles und Gustav Freytag formulierten Schema aus Exposition, Höhenpunkt und Peripetie unterlegte.1 Das funktionierte vollkommen und machte deutlicher denn je, dass es sich bei der untergegangenen sozialistischen Republik um ein Staatskunstwerk gehandelt hatte.
Im Innern dieses wohnlich-unwohnlichen Gebäudes war...