Theater der Zeit

SCORES – Insert Tanzquartier Wien

Was wollen die Dinge?

Dynamische Ontologie und die Zukunft der Performance

von Boyan Manchev

Erschienen in: Theater der Zeit: Die Bibliothek des Körpers – Der Tänzer-Choreograf Ismael Ivo (03/2015)

Assoziationen: Österreich Tanz

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ZUSAMMENFASSUNG

In diesem Essay möchte ich dem Nachdenken über Dinge in der Performance eine neue Dimension hinzufügen und sie direkt mit der Perspektive des transformativen Materialismus verbinden. Meine Hypothese lautet wie folgt: Um die hegemonische Ökonomie des Performance-Kapitalismus hinter sich zu lassen, muss zeitgenössische Performance die allgemeine Ökonomie der Dinge erneut aufschließen, deren Gefüge neu formieren und zusammensetzen. Aber was bedeutet ein ›Ding‹ eigentlich? Und warum sollte ein Ding performen? Und was ist unter einer Gemeinschaft von Dingen zu verstehen?

Zunächst zur Frage: Was wollen die Dinge?

 

DER WENDEPUNKT DER DINGE

Zeitgenössische Performance ist besessen von Dingen – von Dingen, die performen oder behaupten zu performen. Der zeitgenössische Diskurs über Performance wiederum ist von der auratischen Präsenz der Dinge fasziniert und lässt sich seinerseits vom irrationalen Glauben in Besitz nehmen, Performance könne der Raum für diese – ästhetische, philosophische, politische – Wende sein.

Tatsächlich bemühen sich jüngste kritische Aussagen um eine Verknüpfung besagter Tendenzen im zeitgenössischen Tanz und in der zeitgenössischen Performance mit einer zeitgenössischen Richtung in der Philosophie, der sogenannten objektorientierten Ontologie1. Diese ist vom Versuch bestimmt, die Kant’sche Idee zu unterminieren, indem eine Übereinstimmung von Erkenntnisobjekten und menschlichem Geist und somit von Existenz und Sein, also die ontologische Gleichstellung von Objektbeziehungen, avanciert wird. Die neuen diskursgestützten Performances setzen sich dadurch jedoch dem beträchtlichen Risiko einer neuen, banalen darstellerischen Erwartungshaltung aus: Dinge einfach nur in die Performance einzubauen oder sie zu manipulieren bedeutet nicht, neue Formen der Performance oder die Erzeugung von ästhetischen oder performativen Werten zu kreieren, und noch weniger, irgendeine Art ästhetischer oder politischer Subversion in Gang zu setzen.

Dennoch ist die Frage nach den Dingen sowohl für das Theater wie auch für die Philosophie entscheidend: Sie basiert auf philosophischen, ästhetischen und politischen Notwendigkeiten. Was also ist der tiefere, strukturelle Grund des Erscheinens der Dinge? Meine Hypothese, im Gegensatz zum objektorientierten Diskurs, ist die folgende: Die Dringlichkeit der Frage nach den Dingen ist heute ausschließlich in der Ausweitung und Radikalisierung der Frage nach der Subjektivität und also nach den Kräften und Gewalten zu sehen und verschärft somit auch die politische Frage nach der Entscheidung, dem Bruch und dem Wandel. Diesen Fragen kann man sich auf emanzipierter Weise nur aus einer radikal Kant’schen Perspektive nähern, indem man die eigentlichen Konzepte von Subjekt, Objekt und deren vermutlicher Beziehung ausweitet und vertieft.2

Im Gegensatz zu objektorientierten Diskursen dürfen wir uns keine ›flache‹ Ontologie vorstellen, weil wir Kräfte, Dynamiken und Negativität nicht aus der Welt verbannen können; wir können die poietische und transformierende Kraft des Chaos oder des Kosmos nicht reduzieren. Unsere Aufgabe ist vielmehr, Dingen als Kräften von komplexen gleichzeitigen oder heterogleichzeitigen Prozessen gegenüberzutreten, Prozessen, die wir durch unsere eigenen, letztlich subjektiven Aktivitäten in einen Zusammenhang zu bringen versuchen.
Transformativer Materialismus schafft somit die Voraussetzungen für das Verständnis von und das Experimentieren mit dem poietischen und autopoietischen Potenzial der Dinge. Es gibt keine starren Dinge. Die Dinge sind Handlungsträger – Handlungsträger, die zu einer Transformation von durch Kräfte geschaffenen Bedingungen führen. Unsere zentrale Frage ist also die Frage des Wandels, die Frage der Bewegung, métabole, und somit die Frage der dialektischen Verbindung von Ding und Prozess, von Ding und Wandel. Aus der Perspektive des transformationistischen Materialismus werden Dinge als dynamische Formen oder Kräfte begriffen. Deshalb können, ja müssen Dinge einzig und allein als Elemente dynamischer Ontologien3 gedacht werden.

Entgegen der Ausrichtung des sogenannten spekulativen Realismus, der heute zu einer Art magischen Denkens avanciert und neue Tendenzen in der Performance legitimiert, sollte der aisthetische Materialist darauf beharren, dass ein Ding das Produkt des Denkens ist und immer schon war. Wir können auf Kant nicht nur nicht verzichten, sondern benötigen mehr noch einen radikal neuen Kantianismus, wo Dinge nicht als Phänomene für den menschlichen Geist in Erscheinung treten, sondern als subjektive Entitäten selbst, als stellare, verstreute und nebelhafte transformierende Gedanken.

1
Dieser mit dem Terminus spekulativer Realismus verbundene Begriff beschreibt nicht eine konsistente ›Schule‹, sondern voneinander abweichende Ansätze und Autoren mit signifikant divergierender Ausrichtung, wie der französische Philosoph Quentin Meillassoux (Après la finitude, Paris, Seuil, 2006), der den Kant’schen Korrelationismus kritisiert; rückblickend mit dieser Richtung verbunden sind Graham Harman, vermutlich der Erfinder des Begriffs objektorientierte Ontologie, Levi Bryant, Timothy Morton und andere, die oft komplexe philosophische Aussagen machen, die in den letzten Jahren modischen und reduktiven Lesarten in zeitgenössischen Kunstfeldern ausgesetzt waren.

2
Somit steht die Aufgabe, komplexe Kräfte neu zu durchdenken, im Zentrum einer radikalen, wenn nicht fantastischen politisch-philosophischen Perspektive: Bruno Latours Vorstellung eines Parlaments der Dinge, die in vielerlei Hinsicht objektorientierte Ontologien vorwegnimmt und zweifellos inspiriert. Vgl. Bruno Latour, Nous n’avons jamais été modernes. Essai d’anthropologie symétrique, Paris, La Découverte, 1991.

3
Für eine detailliertere Ausarbeitung des Konzepts der dynamischen oder transformativen Ontologie vgl. Boyan Manchev, L’altération du monde. Pour une esthétique radicale, Lignes, 2009; Boyan Manchev, La métamorphose et l’instant – Désorganisation de la vie, La Phocide, 2009.

 

PERFORMENDE DINGE

Ich möchte hier behaupten, dass, wenn wir von einer potenziellen Veränderung in der zeitgenössischen Performance-Produktion sprechen wollten, dies im Horizont neuer dynamischer Ontologien erfolgen sollte. Die neuen Trends, um die es hier geht, formulieren mit künstlerischen Mitteln Fragen und setzen sich mit Problemen auseinander, die auch für die gegenwärtige Philosophie, Wissenschaft und Politik von Bedeutung sind: Was ist ein Handlungsträger (agency)? Was ist ein Prozess? Was ist Wandel? Was ist Entscheidung? Oder: Worin besteht die Kraft des Begehrens? Was ist das Begehren der Dinge?

Diese transformativ-materialistische Wende ist daher keine Fortsetzung der relationalen und/oder sozialen Wende der vorhergehenden Dekaden, sondern eine kritische Reformulierung, und steht sogar im scharfen Kontrast zu ihr: Das dynamische Verlangen der Dinge widersetzt sich der performativen Anbindung im Zeitalter der Netzwerke. Das dunkle Begehren der Dinge, das Begehren ungestümer Kräfte und Wünsche, setzt der hegemonischen Realität des Performance-Kapitalismus4 einen Widerstand entgegen. Anstatt auf ›Relationalität‹ zu fokussieren, oder auf instrumentelle Beziehungen, müssen wir heute komplexen Prozessen, komplexen Kräften und Vorgängen, Techniken sowie Produktionsund Organisationsformen ins Auge sehen, deren Verständnis allein die Verwandlung der Ausgangsbedingungen ermöglichen könnte. Anstatt von ›einfachen, substanziellen oder quasi-substanziellen Dingen und Beziehungen (beides als Produkte zur Ware gemacht) zu sprechen, müssen wir von Neuem die Frage nach den Handlungsträgern und Subjektivitäten und also die Frage nach den Bedingungen für die Verwandlung, Teilung und Entscheidung stellen. Das sind die Dinge, die auf dem Spiel stehen.

Die strukturellen Beobachtungen einer Reihe von wichtigen Tanz- und Performancestücken ermöglichen es mir, eine vorläufige unterscheidung einiger Typen der performativen Manipulation von ›Dingen‹ zu treffen:

Jérôme Bels Nom donné par l’auteur, 1994: Formal-semantische Manipulation der Dinge durch menschliche Darsteller ebenso wie die Subversion des Gebrauchswerts der ›Dinge‹ (Materialien, Objekte, Instrumente, Produkte, Maschinen), die eine performative Ebenen konstituieren, wo Bedeutung und Dinge auf derselben Stufe agieren: flache Ontologie;

Mette Ingvartsens Evaporated Landscape (2009), Artificial Nature Project (2013): Versuch, ein autonomes Dispositiv einzurichten, wo menschliche Körper durch widersprüchliche Operationen, Stimuli und ›Instruktionen‹ Autonomie in Objekten und Geräten zu erzeugen versuchen, um sich eher ihrer Kontingenz der ›Kräfte‹ und nicht der Dinge gegenüberzusehen: polemische oder statische Ontologie;

Lisa Hinterreithners & Jack Hausers Serie The Call of Things (2014):
Schaffung eines metabolischen Systems, eines Systems der Transformation und des Austauschs – eines komplexen Dispositivs dynamischer Handlungsträger, das mit einer spezifischen Reihe von Materialbedingungen arbeitet, wo die Dinge aufhören, sie ›selbst‹ zu sein, indem sie sich verwandeln – in Handlungsträger, Mensch-Dinge, menschliche Dinge, Anderes-als-Dinge: metabolische Ontologie.

 

4
Zum Begriff des Performance-Kapitalismus vgl. Boyan Manchev, »Transformance: The Body of Event«, in It takes place when it doesn’t, hrsg. von Martina Hochmuth, Krassimira Kruschkova und Georg Schöllhammer, Frankfurt am Main: Revolver Verlag, 2006.

 

BIGNIA WEHRLI, STERNENSCHRIFT (2014)

Das Interesse an Dingen ist das Interesse an dem, was sie sind – und somit das Interesse am Werden und an den Kräften. Die jüngste Arbeit der Schweizer bildenden Künstlerin Bignia Wehrli Sternenschift stellt einen mysteriösen Handlungsträger dar, der mittels einer komplexen technischen Vorrichtung eine exquisite und rätselhafte Schrift kreiert. Ich möchte mich dieser Arbeit, die ein utopisches künstlerisches Vorhaben zum Ausdruck bringt, als einem starken Beispiel für die vorgelegte These nähern.

Hinter der visuell ansprechenden ›Oberfläche‹ dieser Arbeit mit dem rätselhaften Titel entdecken wir ein komplexes künstlerisches Verfahren – eine Abfolge von technischen Handlungsträgern, Transformationen des Mediums und des Materials, die den Effekt bestimmt, ohne dadurch weder den Prozess noch das Ergebnis zu beeinträchtigen. Das Ergebnis präsentiert sich somit nicht einfach als künstlerisches Produkt, sondern als eine neue semiotischontologische Entität: als Schrift der Sterne. Als ob Wehrli, indem sie das Gerüst der modernen wissenschaftlichen Weltsicht untergräbt, zu einer jahrtausendealten Tradition zurückkehrte, die auf Aristoteles’ Meteorologica und insbesondere auf The Book of Signs seines Schülers Theophrastus zurückgeht, und so den hypersemiotischen Glauben vormoderner Menschen in die symptomatische Bedeutung der meteora, der als rätselhafte Schrift transzendenter und undurchsichtiger Kräfte aufgefassten Himmelserscheinungen, verkörpert. Als ob sie eine wundersame Vorrichtung kreierte, um den Naturkräften wieder ihre rätselhaften Runen, Hieroglyphen oder ihr monströses Himmelssystem der Zeichen schreiben zu lassen.

Im Hintergrund dieser komplexen medien-transformativen Operation, die hier auf dem Spiel steht, befindet sich eine materielle Substanz, die in Beziehung zur von einem menschlichen Körper ausgeführten räumlichen Flugbahn steht – eine Wegstrecke der Arbeit oder Choreografie in potentia. Obwohl der Weg von außen betrachtet als ungewiss erscheint, offenbart die Präsentation des Dispositivs der Sternenschrift eine starke Entschlossenheit hinter der quasi-kontingenten Struktur des Weges. Die Schrift der Sterne stellt sich als ›Replik‹ eines von einem GPS-Gerät vorgezeichneten Weges heraus: des Weges, den der Vater der Künstlerin zurücklegt, der sich in der Landarbeit verausgabt (ein Amateur-Landwirt, von Beruf Physiker, der sich also selbst mit dem Kern der Frage nach den Kräften und Dingen beschäftigt), dessen Dauer einen ganzen Arbeitstag umfasst, vom Morgen bis zum Abend.5

Der menschliche Körper erscheint als unsichtbarer materieller Vermittler der künstlerischen Aktion. Und doch zeigt sich der unsichtbare Körper des Vaters in der Himmelstextur der Sternenschriften als das bestimmende Agens, dessen Ausdauer, als würde sie für die Gravitationsintensität sorgen, notwendig ist für das Einfangen der Energie der Himmelsagenten, der Sterne, und für die Fokussierung ihrer stellaren Tinte, ihres Lichts in dem komplexen Stift-Gerät, dem Schreibgerät des Sterns: Sternenstift.

Hier und nirgendwo sonst können wir das Risiko eingehen zu behaupten, dass das von Wehrli geschaffene Gerät, der die Sternenschrift ermöglichende Sternenstift, einen radikalen (postkantischen oder grundlegend kantischen) Wandel markiert, nämlich die Umkehrung der Position des subjektiven Handlungsträgers: Sie liegt nicht in der menschlichen Vernunft, sondern im imaginierenden – Bilder schaffenden – Stern. Der Stern, der als Abdruck seine eigene Ausdehnung durch die neu etablierte Bedingung seiner aisthetischen Autonomie imaginiert. So agiert der Stern als Handlungsträger der Wahrnehmung – nicht wahrnehmbare Aktion am Abgrund des erhaben schlafenden Firmaments, des Mahlstroms dunkler Kräfte des Universums. Einerseits wird der Stern auf das Papier projiziert: Seine Intensität, die mittels des Autonomie schaffenden Geräts eingefangen wurde, schwappt so über. Andererseits aber absorbiert, erfasst und presst er auf die unerschöpfliche nachthaut des Himmels das Tattoo eines dunklen und unsichtbaren, selbst von der Höhe einer irdischen Wolke aus nicht wahrnehmbaren Körpers, des Körpers eines gehenden Mannes – des Körpers des Physiker-Landwirts von Sternenberg, dem Sternengestade. Der namenlose Stern, die Himmelskraft kreiert eine Himmelschoreografie, schreibt Bewegung in den Himmel ein, chora, und diese Bewegung schafft ein rätselhaftes Zeichen, aber auch ein neues Sternzeichen – es verwandelt den Stern in eine Vielheit, eine Vielheit von archaischen Ungeheuern oder Wundern – thauma. Als ob Wehrlis seltsames Gerät einen Handlungsrahmen für einen kosmisch-theatralischen Kunstgriff des performend-schreibenden Sterns schaffte: ein Weltraumtheater, in dem jeder Stern als singuläres Ding und somit als singuläre Kraft auftritt, die Kraft einer merkwürdigen écriture, einer eigentümlichen Schrift – einzigartige Farbe und einmaliges rhythmisches Muster, unterschiedliche Formen der Konzentration und Aufmerksamkeit, der Präsen.

 

5
»Jedes Jahr zwischen Juni und August ist mein Vater mit dem Heuen beschäftigt: er mäht die Wiesen, zettet das Gras, recht es zusammen und fährt die Heufuhren mit dem Ladewagen in die Scheune. Dabei berührt er beinahe jeden Quadratmeter Land. Im Sommer 2012 zeichnete ich mit einem GPS Gerät sieben seiner Tageswege von morgens bis abends auf. Mit einem Fotoapparat und dem speziell dafür entwickelten Instrument – dem Sternenstift – schrieb ich die vergangenen Wegspuren im Winter 2013 mit dem Licht eines Sterns nach« (Bignia Wehrli, Sternenschrift, Kunsthalle Winterthur, Booklet, 2014).

 

Am Schluss könnte das Verfahren, das Wehrli in ihrem performancebasierten visuellen Kunstwerk anwendet, als ein herausragendes Beispiel für eine neue Art künstlerischen Vorgehens aufgefasst werden: Eine künstlerische Tätigkeit, in der die Vermittler als dynamische Umwandler zu verstehen sind, dazu bestimmt, die autonomen Handlungsträger und somit das autonome Wollen in ein unbelebtes Agens (oder einen leblosen ›Patienten‹) zu injizieren und somit nicht-menschlichen Akteuren die Möglichkeit gibt, die Bühne der (ästhetischen) Bedeutungsproduktion zu betreten.6 In dieser Operation aber wird die Substanz des menschlichen Körpers – die subjektive Konsistenz – nicht ausgelöscht. Der menschliche Körper wird zu einem Ding unter Dingen: zu einer Kraft im Mahlstrom kosmischer Kräfte, im Mahlstrom unsichtbarer Elemente, vermengt mit dem All-Sehenden, das Dunkel der galaktischen Macht des Affekts durchdringend. Die unsichtbare Beharrlichkeit des gehenden menschlichen Körpers (ein angeblich ›gewöhnliches‹ Objekt ästhetischer Repräsentation) wird nicht einfach, durch Serien wundersamer Medientransmissionen, auf eine kosmische Ebene versetzt, sondern zu einem dynamischen Schema-Modell für ein kosmisches Theater – ein Theater, in dem die ungewisse chaotische Kraft-Imagination der Elemente zu agieren eingeladen ist. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine quasi-alchemistische Tätigkeit, die naiv den Mikrokosmos auf den Makrokosmos projiziert. Die Imagination und die technische Fähigkeit, das deinos des Künstlers, bewirken den schwindelerregenden Transfer von Handlungsträgern der Imagination und Produktion – von produktiver Imagination, von Bilder und Zeichen schaffender Imagination – zu den Himmelserscheinungen, den meteora, den Sternen.

So erscheint die Schrift der Sterne, die Sternenschrift als Theater der Wunder.

 

6
Der finnische Philosoph und Theaterdirektor Esa Kirkkopelto schrieb vor mehr als zehn Jahren sein Manifesto for generalised anthropomorphism, worin er feststellt: »Die Hoffnung der Menschen liegt jenseits jeglichen beschränkten Anthropomorphismus, jenseits all dessen, was sich selbst als ›Humanismus‹ bezeichnet. Sie liegt im entschieden Nicht-Humanen. (…) Das Phänomen des Humanen ist das Phänomen der Bühne, das Theater ist der Ort der Begegnung für dieses Phänomen.« (Vgl. Esa Kirkkopelto, A manifesto for generalised anthropomorphism, in Eurozine,7.9.2004).

 

DAS THEATER DER WUNDER

Theater der schreibenden Sterne. Sie verströmen ihr mikroskopisches Licht wie eine leuchtende Tinte, gebündelt durch die Linse des Beharrens mittels Anstrengung, Sehnsucht und Technik.

Das Schreiben der Sterne auf Fotopapier ist ein Wunder, wie es jedes Kraftzeichen ist.

Dinge sind Wunder, weil sie da sind – aber da sie da sind, begehren und agieren sie.

Die Zeit ist reif für ein posthumanes Theater, ein Theater grenzenlosen Begehrens und unbegrenzter Subjektivierung der Dinge.


Boyan Manchevs Vortrag Was wollen die Dinge? Aisthetischer Materialismus und die Zukunft der Performance wurde am 26. November 2014 im Rahmen von SCORES No 9: no/things am Tanzquartier Wien präsentiert.

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