Weltläufiges Wissen
von Thomas Engel
Erschienen in: Recherchen 114: Fiebach – Theater. Wissen. Machen. (06/2014)
Der Mann war schon deshalb eine Legende, weil man ihn erst einmal nie zu Gesicht bekam. Anfang der achtziger Jahre war Joachim Fiebach in Weltgegenden unterwegs, die damals kaum jemand für theaterwissenschaftliche Feldforschung auf der Agenda hatte, außer andere Legenden, wie Peter Brook vielleicht – aber auch das blieb für die Erstsemester der Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität nur zu vermuten, denn Fiebach sollte uns ja erst an seinem zähneknirschend weltläufigen Wissen teilhaben lassen. Da aber die Wege der Dienstreisebewilligungen unergründlich waren, war Fiebach, statt bei uns Vorlesungen zu halten, nach Nigeria oder sonst wo hinter dem südlichen Horizont entschwunden, und wir hatten als Einstiegsübung die Theorie des primären Spielers im Theater – primär ist der Zuschauer, nicht der Schauspieler – vom BE-Intendanten Manfred Wekwerth zu zerpflücken.
Es ist falsch, die sogenannte Stille im Zuschauerraum nur als tatenlose Ergriffenheit zu deuten … In Wirklichkeit aber zeigt „Stille“ zunächst nichts anderes, als daß der Zuschauer begonnen hat zu spielen. Die Vorgänge auf der Bühne werden für ihn zu seinen Vorgängen, die er gleichzeitig am inneren Modell in seinem Kopf und an ihrer gegenständlichen Entsprechung auf der Bühne spielt.1
Dann war Fiebach wieder da und die kleine DDR wurde mal wieder zur...