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Die Enge des Festsaals
„Dechovka – Blasmusik“ des tschechischen Theaters Vosto5 erinnert an das Schicksal der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg
von Mirka Döring
Erschienen in: Theater der Zeit: Je suis Charlie (02/2015)
Dünner Filterkaffee aus großen Pumpkannen. Daneben eine Riege Plastikbecher, bei deren Anblick man nicht weiß: Sind sie benutzt, sind sie neu? Die halb zerbröselte Gebäckund-Waffel-Mischung wird auf leichten Opalglastellern serviert, Wellendesign. Ein Stapel Flyer schwimmt in einer Kaffeepfütze. Sie werben für den amtierenden Bürgermeister des fiktiven Orts Dobrodín, Mitglied der KSCM, der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens. Soweit, so authentisch.
Wer schon einmal am öffentlichen Leben eines Dorfes teilgenommen hat, der kennt vermutlich die Enge der Turnhallen, Schützenhäuser und Vereinsheime, in denen es sich maßgeblich abspielt. Das Setting von „Dechovka – Blasmusik“ dürfte ihm unangenehm vertraut sein. In dem unter dem Prager Restaurant Barácnická rychta gelegenen Festsaal herrscht eine geschwätzige Stimmung, der Holzfußboden knarzt, während sich das Publikum zu den abgesessenen Holzstühlen sortiert. Die Vorhänge der hohen Fenster sind vergilbt, die Luft abgestanden. So trostlos sehen sie tatsächlich aus, die provinziellen Stätten der Versammlung.
Im Programm des 19. Prager Theaterfestivals deutscher Sprache, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die „aktuellsten, besten, meistdiskutierten Inszenierungen“ im deutschsprachigen Raum zu zeigen, vermutet man die Produktion des tschechischen Theaters Vosto5 erst einmal nicht. Man hat es im Hauptprogramm neben Superlativen wie dem Wiener Burgtheater, dem Thalia Theater Hamburg oder den Münchner Kammerspielen platziert....