Kirill Serebrennikov, was bedeutet Liebe für Sie?
Das ist eine gute Frage. Ich würde sagen Spannung, vor allem Spannung. Liebe ist wie ein Blitz, ein Feuer – elektrisierend, aber auch zerstörerisch.
Freiheit bedeutet es auch?
Ja, aber Freiheit ist noch größer, noch umfassender als die Liebe. Liebe ist schwer greifbar, wie eine Atmosphäre, etwas, das in der Luft liegt. Sie entzieht sich den Erklärungen, ist mit Worten nicht begreifbar. Deshalb arbeitet die Menschheit – vor allem die Kunst – seit Jahrhunderten daran, einen Ausdruck für etwas zu finden, was letztlich unfassbar bleibt.
Giovanni Boccaccio hat das in seinem „Decamerone“ sehr umfassend versucht. Die Rahmenhandlung erzählt von zehn jungen Frauen und Männern, die im Jahr 1348 vor der Pest aus Florenz flüchten und sich auf einem Landsitz vor den Toren der Stadt einquartieren. Dort vertreiben sie sich das Warten, indem sie sich zehn Tage lang jeweils zehn Geschichten erzählen, vorrangig Liebesgeschichten. Was hat Sie an dem Buch ursprünglich gereizt? Und haben sich Ihre Interessensschwerpunkte im Laufe der Zeit – die Produktion hat ja schon einen längeren Vorlauf – verlagert?
Ja, das stimmt, die Produktion war schon vor ein paar Jahren geplant. „Decamerone“ ist ein Buch der Liebe. Es ist aber auch...