Das Helsingør-Syndrom. Über den kapitalistischen Realismus und seine möglichen Alternativen
Simon Kubisch im Gespräch mit Jakob Hayner
von Simon Kubisch und Jakob Hayner
Erschienen in: Lob des Realismus – Die Debatte (09/2017)
Jakob Hayner: Simon Kubisch, der Kulturwissenschaftler Mark Fisher sprach von einem „kapitalistischen Realismus“, der in der Gegenwart herrsche. Er fragte, ob der kapitalistische Realismus ohne Alternative sein müsse. Was ist darunter zu verstehen?
Simon Kubisch: Kapitalistischer Realismus setzt sich als alternativlos, er behauptet also, dass die Wirklichkeit, wie wir sie sehen, die einzig mögliche ist. Viral und wetterfest wurde diese „Ästhetik“ mit dem Siegeszug des Neoliberalismus, der Zerschlagung der Gewerkschaften und der sozialen Sicherungssysteme in den 1980er Jahren von Margaret Thatcher mit dem berühmten Schlachtruf: „There is no alternative!“ Bis heute gibt es kaum bürgerliche Parteien, welche ihre Politik nicht als alternativlos beschreiben würden. Dass der kapitalistische Realismus jedoch wieder als Ideologie sichtbar wurde, hat meines Erachtens vor allem mit einer Krise der neoliberalen Strukturen (die Finanzkrise 2009, die darauffolgende sogenannte Schuldenkrise) und der damit zusammenhängenden Emanzipation progressiver Kräfte (Occupy, Gezi, Syriza, Podemos, Blockupy) sowie mit deren seriellem Scheitern zu tun. Theorie als geronnene Praxis, als Aufhebung von Praxis in anderer Form.
Mark Fisher hat sich Anfang 2017 das Leben genommen …
Anders als Sisyphos müssen wir uns Mark Fisher wohl als einen unglücklichen Menschen vorstellen. Dass Fisher, der selbst dazu aufgefordert hat, die politische Dimension bei psychischen Erkrankungen zu...