Theater der Zeit

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Der transvestitische Hahn

von Stephan Wolf-Schönburg

Erschienen in: 70 Jahre Zukunft – Theater der Jungen Welt Leipzig (03/2017)

Assoziationen: Kinder- & Jugendtheater Sachsen Theater der Jungen Welt

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Es war Liebe auf den ersten Blick. Mizzi, das HUHN. So der Besetzungszettel. Aber auf dem Betriebsausflug ins Leipziger Umland steht vor mir ein kapitaler, rotblonder Hahn. Ein wenig jung noch. Etwas schüchtern, aber dabei charmant. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Ich nehme ihn auf den Arm und zum ersten Mal im Leben rieche ich, wie wunderbar und herrlich so ein Hahnhuhn duftet. Es dauerte noch ein Weilchen, bis Mizzi, der transvestitische Hahn, die Probebühne betrat. So ein Hühnerstar hat nämlich eine prachtvolle Gage, nach der sich so mancher Schauspieler nur sehnen kann. Man konnte ihn nicht zu oft bestellen. Zumal er sich ja auch noch auf die Rolle vorbereiten musste. Ein Mädchen spielen. Für einen Gockel eine rechte Herausforderung. Aber er kam gut vorbereitet, nachdem er einen Method-Acting-Kurs besucht hatte. Und da haben wir eine weitere Gemeinsamkeit, die uns verbindet.

Die Uraufführungspremiere von George Taboris »Mein Kampf« habe ich in Wien gesehen, wo ich glücklich auch an des Autors Theater Der Kreis spielen und an dem von ihm nach New Yorker Vorbild gegründeten Actors and Actresses Studio das Method Acting nach Lee Strasberg erlernen konnte. Für mich prägend. Eine besondere Gabe, dass der kongeniale Jürgen Zielinski mir die Rolle des Schlomo Herzl anvertraute. Und mir damit Herrn Mizzi zuführte, der mich auf den Proben und während der Vorstellungen mit dem Hahnentritt seiner imposanten Krallen begrüßte, ein Zeichen, von dem sein Eigner und Trainer meinte, der Herr Mizzi habe sich in mich verliebt. Eine gegenseitige Liebe. Unvergesslich.

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