Bericht
Zufluchtsort vor der Welt
So war das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel 2024
von Peter Helling
Assoziationen: Südamerika Freie Szene Hamburg Theaterkritiken Dossier: Festivals Lola Arias Kampnagel
Erschienen am 30.8.2024
Es gibt diesen typischen Sommerfestival-Moment: Da sitzt man in der Halle K1, beim südkoreanischen Künstler Jaha Koo, und erlebt, wie der eine Nacht-Sofortküche aufbaut, wie es sie in Seoul zigfach gibt: kleine zeltartige Straßenimbisse, die perfektes Essen zubereiten und am Morgen verschwinden wie Geister. Erlebt, wie er zwei Zuschauerinnen an seine Kochplatte bittet, wie er für sie Kimchi-Pfannkuchen zubereitet und über den Geschmack von Heimat sinniert. Es berührt, wie fein, wie sensibel der Künstler seine Migrationsgeschichte von Seoul nach Berlin und Brüssel mit dem Geschmack von Essen verbindet. Dazu zeigt er Videos, auf denen man abwechselnd Großstadtschluchten, elektronisch singende Aale und Haribo-Gummibärchen sieht. „Haribo Kimchi“, dieses wundervoll poetische Mashup aus Alltag und Hightech, aus Philosophie und Esskultur wärmt das Herz. Bevor es, gleich im Anschluss dieser leisen Performance, ein paar Meter weiter in die Halle K2 geht. Und man in ein Energiebad taucht: sich sechs Menschen in Abendkleidung gegenübersieht, ehemaligen Insassinnen eines Frauengefängnisses in Buenos Aires. Wegen Drogenhandel, wegen Prostitution, Diebstahl mussten sie oft jahrelang einsitzen. Vier Frauen, eine Transfrau, ein Transmann: Sechs Personen, die „Los Días Afuera“ – so der Titel des fulminanten Abends – die „Tage da draußen“ irgendwie managen müssen, die Tage nach der Freilassung. Es sind...
Erschienen am 30.8.2024