Du interessierst dich für die Darstellung und die Darstellbarkeit von Gewalt auf der Theaterbühne. Woher rührt dieses Interesse?
Das Interesse besteht schon allein deshalb, weil damit eine besondere Herausforderung einhergeht: Eine direkte, naturalistische Darstellung körperlicher Gewalt ist nahezu unmöglich – das liegt an der unausgesprochenen Übereinkunft, dass eine irreparable körperliche Versehrung von Darsteller*innen ausgeschlossen ist. Wie kann ich also den Vorgang im Kopf der Zuschauer*innen stattfinden lassen, ihn sinnlich erlebbar machen? Das verlangt mir im schöpferischen Prozess eine Übersetzungsleistung ab.
Siehst du im Bereich des Puppentheaters hierfür besonders geeignete ästhetische Strategien?
Vorletztes Jahr habe ich mit meinen Kolleg*innen am Puppentheater Magdeburg „Drei Räuber“ nach Tomi Ungerer erarbeitet. Wir wollten, obwohl für Menschen ab 5 Jahren, Räuber zeigen, die brutal und anarchistisch sind. Dafür haben wir eine neonfarbene Comicwelt erschaffen und die drei Darstellerinnen mit Wollbärten die Räuber spielen lassen – dieser hohe Grad an Künstlichkeit ermöglichte es uns, maximal brutal zu sein.
Bei expliziter Darstellung würde ich ein mögliches Wirkungsprinzip vielleicht so beschreiben: Das Wesen physischer Gewalt könnte man als destruktiv bezeichnen. Damit diese destruktive Wirkung für die Zuschauer*innen erlebbar wird, muss ein Potenzial der Verletzbarkeit vorhanden sein. Bei Menschen ist das gegeben, bei Puppen muss es erst erarbeitet werden....