Theater der Zeit

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Auftritt

Theater in der Josefstadt Wien: Unter einer Decke mit Beckett und Feydeau

„Glückliche Tage/Herzliches Beileid“ von Samuel Beckett und Georges Feydeau – Regie Dieter Dorn, Bühnenbild Julia Schultheis, Kostüme Monika Staykova, Licht Manfred Grohs

von Sara Schausberger

Assoziationen: Theaterkritiken Österreich Dieter Dorn Georges Feydeau Samuel Beckett Theater in der Josefstadt

Anika Pages als Frau, die auf die immer gleichen Stereotype und Rollenbilder innerhalb ihrer Ehe zurückgeworfen wird.
Anika Pages als Frau, die auf die immer gleichen Stereotype und Rollenbilder innerhalb ihrer Ehe zurückgeworfen wird. Foto: Rita Newman

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„Keine Besserung, keine Verschlimmerung“, meint Winnie. Es ist ein weiterer Tag und die Frau versinkt immer mehr im Ehebett: Während im ersten Akt noch ihre Brüste, Schultern und Arme frei bleiben, schaut im zweiten Akt nur noch ihr Kopf heraus. Winnies Mann Willie haust hinter dem Bett. Manchmal hört man sein Schnäuzen, manchmal sagt er ein paar Sätze, meistens aber bleibt er stumm. „Das sind glückliche Tage, wenn es Geräusche gibt“, stellt seine überdreht monologisierende Frau fest, als er eine Art Grunzen von sich gibt. 

Dementsprechend wenig bewegt sich auf der Bühne, die dem Schlafzimmer einer bürgerlichen Altbauwohnung mit riesigen Flügeltüren nachempfunden ist (Bühne: Julia Schultheis). Lediglich Winnies Hände sind geschäftig, solange sie diese noch bewegen kann. Sie feilt sich die Nägel und sucht in den Tiefen ihrer Handtasche nach „Schätzen und Tröstungen“: Kosmetikartikel, Lupe, Revolver.   

Samuel Becketts Zweiakter „Glückliche Tage“ spielt eigentlich auf einem Erdhügel. Die Sonne knallt herunter, Winnies Gesicht und Schultern sind bereits verbrannt, nur ein kleiner Sonnenschirm schützt sie vor den gleißenden Strahlen. Auch in Dieter Dorns Inszenierung benutzt Winnie diesen Schutz vor der Sonne, der in einem Moment Feuer fängt. Bloß macht das Requisit im Doppelbett einer überdachten Wohnung nicht allzu viel Sinn. Der Regisseur braucht aber das Bett als Brücke zum zweiten Teil des Abends. 

Theaterlegende Dorn verbindet in seiner Inszenierung nämlich zwei Theaterstücke miteinander und fasst sie unter dem Titel „Glückliche Tage / Herzliches Beileid“ zusammen: Auf Becketts absurde Tragikomödie folgt Georges Feydeaus Salonkomödie. Was diese gemeinsam haben? Reichlich wenig, außer dass sich beide mit der Ehe und deren Absurditäten auseinandersetzen. 

Anika Pages und Michael von Aue, von Dorn ins Theater in der Josefstadt mitgebrachte Gäste, spielen die Eheleute. In „Herzliches Beileid“ heißen sie Yvonne und Lucien. Sie rekelt sich unter der riesigen Bettdecke, er kommt als Sonnenkönig verkleidet mit einem Kronleuchter in der Hand mitten in der Nacht von einem Künstlerball nachhause: Ein absurder Anblick und der komischste Moment an diesem Abend, der ansonsten nicht zünden mag. 

Es folgen Diskussionen darüber, wer die schöneren Brüste hat: Yvonne oder das Nacktmodel am Ball. Sowie Gespräche, die sich im Kreis drehen – wahrscheinlich seit Jahren. „Ist doch immer das Gleiche: Auswärts zu viel fressen und mit Magenkrämpfen heimkommen“, keift sie ihn, den Buchhalter und Möchtegern-Maler, an. Dieses ungebrochene, alte Klischee des Mannes, der sich auswärts vergnügt und der Frau, die zuhause auf ihn wartet, verhilft Dorns antiquiert wirkender Inszenierung auch nicht zu mehr Aktualität. 

Die Ehe als eine Ansammlung ständiger Wiederholungen, die Ehe als lähmender Zustand, vor allem für die Frau: Auch so könnte eine gemeinsame Deutung der beiden Komödien lauten. Lähmend wird der fast dreistündige Abend im Theater in der Josefstadt nur leider auch fürs Publikum: Wann dürfen wir endlich auch ins Bett? 

Erschienen am 3.5.2023

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