Heutige Diskussionen über Opernregie basieren zumeist auf einer Lüge. Behauptet wird, es gäbe nur zwei Wege: das Stück auf den Kopf stellen oder die Zuschauer langweilen mit Opas Rampen-Steh-Oper nebst sklavischer Befolgung der szenischen Anmerkungen inklusive Genuss an Wohlklang und edlem Gesang. Dass der Name Felsenstein bei derlei Diskussionen nicht genannt wird, scheint erste Bundesbürgerpflicht, unterschlagen wird darüber hinaus die Arbeit dreier Generationen von Regisseuren, von denen jeder seinen eigenen Weg ging, die aber alle miteinander ein Ziel hatten: lebendiges musizierendes Theater – denken wir nur an Carl Ebert, an Rudolf Noelte, an Giorgio Strehler, an Günter Rennert, an Heinz Rückert, an meinen Lehrer Heinz Arnold. Sie haben es geschafft, packende Theatererlebnisse zu bieten, ohne die Stücke auf den Kopf zu stellen, so dass die Leute gar nicht selten wieder und wieder in die Vorstellung gegangen sind bei gleicher Besetzung, wie in einen Kultfilm. Dies zu erwähnen, ist tabu.
Einmalig war Felsensteins Konsequenz im Durchdenken und im Realisieren, einmalig waren allerdings auch die Arbeitsbedingungen, die er sich erkämpfte und die ihm geboten wurden.
„Realistisches Musiktheater“. Ich habe diesen Begriff von Herrn Felsenstein in 22 Jahren nicht ein einziges Mal gehört. Vielleicht sollten wir zuvor einmal versuchen zu definieren, was wir...