Wie so vieles, beginnt das im Jahr 2018 angestoßene Projekt aufgrund einer Verkettung von Umständen und Zufällen: Der Figurenspieler und Theatermacher Kurt Fröhlich gelangt an ein Haus in Herisau, das er zum Figurentheatermuseum umbaut. Die pragmatische Feststellung, dass solch ein Museum ohnedies über ein zugehöriges Depot oder Archiv verfügen müsse, ebnet der Idee den Weg, das sich im Umbruch befindende gegenwärtige Schweizer Figurentheater mittels Interviews abzubilden: Dokumentation und Wissensweitergabe sollen gewährleistet werden.
Angetrieben von der Frage, was mit Bühnenbildern, Requisiten, Fotos, Programmheften und anderen Materialien des Figurentheaters vergangener Jahrzehnte geschehen sein mag, wird kurzerhand ein Verein gegründet und um Gelder angesucht. Ziel ist es, eine Datenerhebung zum zeitgenössischen Figurentheater in der Schweiz ab den 1950er/1960er Jahren auf Grundlage von Interviews mit Protagonist*innen dieser Zeit zu veranlassen. Unter Beratung des SAPA (Swiss Archive of the Performing Arts) entsteht ein erster Handlungsleitfaden zur Erfassung dieses theaterpraktischen Wissens, zudem wird der künftige Datenaustausch zwischen dem Verein, dem SAPA und dessen Plattform der Darstellenden Künste der Schweiz angestrebt.1
Zusammen mit Urs Kaiser und Birk Weiberg vom SAPA wurden methodische Fragen hinsichtlich der Dokumentation von Aufführungen und Phänomenen des Figurentheaters diskutiert: Wie können Gruppen, Bühnen und Inszenierungen angemessen benannt und eingeordnet werden? Wie wird man den Besonderheiten der jeweiligen Inszenierungen gerecht und erfasst sie zugleich mit einem kohärenten, allgemeineren Vokabular? Resultat dieser Auseinandersetzung sind drei leitfadengestützte Interview-Fragebögen, die die Erhebung von Produktionen, Produzierenden und deren beruflicher Laufbahn ermöglichen. Auf Grundlage dieser Fragebögen führten Kurt und sein Sohn Andreas Fröhlich, die Marionettenspielerin und studierte Soziologin Anne Compagnon sowie die Theaterwissenschaftlerin Elke Krafka 105 Interviews mündlich bzw. schriftlich. Ausgehend von den Mitgliederlisten der 2019 aufgelösten UNIMA Suisse wurden Spieler*innen kontaktiert, um sie für das Vorhaben zu gewinnen und das übergeordnete Ziel der Umfrage zu realisieren, einen Überblick über die Akteure der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts zu erstellen. Zudem wurden die Spieler*innen gebeten, einen Archivkarton mit Materialien zu befüllen, sodass neben den Informationen aus den Fragebögen auch Skripte, Bühnenbildskizzen, Fotos etc. Eingang ins Archiv fanden. In diesem Sinne fungiert die Erhebung als Ort, an dem Spuren jahrzehntelanger Arbeit gesammelt und abrufbar sind. Nun steht das Projekt vor dem Abschluss und die Datenaufbereitung und Zugänglichmachung beginnt, auf dass interessierte Zuschauer*innen, zukünftige Spieler*innen und Forschende auch nach den Aufführungen genüsslich durch Figurentheatermaterial stöbern können. – www.figurentheatermuseum.ch
1 https://www.performing-arts.ch/resource/sapa:About