Einige Anmerkungen zur elisabethanischen Bühne
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)
Assoziationen: Wissenschaft Theatergeschichte Europa
Die Zentralperspektive verbreitet sich von Italien aus über Europa. Ihre Durchsetzung als absolutistisches Machtinstrument, aber auch als organisierendes Bühnenprinzip vollzieht sich allerdings von Fall zu Fall in unterschiedlicher Weise und in je anderen politischen Kontexten. Besonders komplex ist die Lage im »nationalabsolutistischen« Großbritannien, das 45 Jahre lang, von 1558 bis 1603, von Elisabeth regiert wird und im 16. Jahrhundert zur See- und Weltmacht aufsteigt, nachdem in Folge der »Entdeckung« Amerikas der Atlantische Ozean das Mittelmeer als bedeutendstes Handelsmeer abgelöst hat. Die spezielle Situation Englands lässt sich mit dem Anglisten Ulrich Suerbaum anhand von vier Fluchtlinien skizzieren, von denen jede einzelne einer Logik von Kontinuität und Diskontinuität folgt, eines gleichzeitigen »Nicht mehr« und »Noch nicht«.14
Erstens sind im England des 16. Jahrhunderts die wichtigsten Organisationsformen und Prozeduren einer »modernen« Staatsführung bereits vorgebildet: Mit dem »Kronrat« gibt es eine Vorform des späteren Kabinetts, und das »Parlament«, das schon seit der Regentschaft Heinrichs VIII. Gesetzgebung und Steuerrecht mitbestimmt, ist zu Elisabeths Zeit bereits stark von den bürgerlichen »Commons« geprägt. Politische Entscheidungsprozesse sind in England zu diesem Zeitpunkt daher einem ungleich größeren Prozess des Ver- und Aushandelns unterworfen als es in den Monarchien und Fürstentümern des Kontinents der Fall ist. Einerseits verfügt England also...