3. Authentizität
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Kritik des Theaters (04/2013)
In der Postmoderne scheint gerade die Komplexitätssteigerung des Verstehens zu einer Implosion des Willens geführt zu haben. In Reaktion darauf wächst die Sehnsucht nach Lebensbereichen, in denen nicht die Kontingenz des Wissens oder die Tauschverhältnisse des Marktes regieren. Die Rettung wird jedoch nicht in der Kritik an den postmodernen Theorien und an der spätkapitalistischen Gesellschaft gesucht, sondern folgt ganz dem immanenten Drang zum Selbsterleben in der Vereinzelung. Die Partikularisierung findet im Phantasma des Authentischen ihr exklusives Ziel, in dem sich alle Vorlieben postmoderner Ästhetik für Ambivalenzen wiederfinden: Es wird unentscheidbar, ob es sich um ein semantisches oder vorsemantisches Ereignis handelt, da das Authentische die paradoxe Form einer »hergestellten« Natur hat und in der Kippfigur zwischen Inszenierungseffekten und »echter« Präsenz unverstehbar, aber fühlbar ist.
Um den ideologischen Gehalt der Sehnsucht nach dem Authentischen kritisierbar zu machen, muss die widersprüchliche Erscheinung des Authentischen analysiert werden. Geht man auf die Wortbedeutung des »Authentischen« zurück, so ist mit dem griechischen »auto-entes« die Selbstvollendung gemeint. Hiermit wird eine Handlung beschrieben, die das Subjekt eigenhändig ausführt. Das Bedeutungsspektrum reicht vom Urheber einer Tat bis zum Selbstmörder. Im Weiteren entwickelt sich die Art dieser Urheberschaft und bedeutet zusehends die Macht, die jemand hat, um etwas zu tun....