Schauspielen als Beruf. Die Erfindung des bürgerlichen Schauspielers im 18. Jahrhundert
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Lektionen 3: Schauspielen Theorie (12/2010)
Assoziationen: Schauspiel Theatergeschichte
„Die Schauspielkunst war [am Anfang des 18. Jahrhunderts in Deutschland] zur bloßen Pöbelbelustigung, zum Hohn der guten Gesellschaft herabgekommen. Sie war nichts als der Hans Wurst der Nation, ein Verdauungsmittel, eine Medizin für kranke Magen geworden. Im Bettelsacke ihrer Herrlichkeit von Ort zu Ort schleppend, mit den Genossen um den zugeworfenen Bissen ringend, wie der Aussatz der Gesellschaft gemieden, in Aberwitz und Schmach versunken, verzweifelnd endlich an der eigenen Kraft und an irgendeiner andern Rettung – als so ihr klägliches Geschick vollendet war, da erst reichte sie die Hände den französischen Fesseln hin, an denen sie denn auch glücklich aus dem Schlamm gezogen wurde.“
Eduard Devrient1
I.
Der Beruf des Schauspielers als Menschendarsteller beginnt sich im 18. Jahrhundert zu entwickeln. Mit der Emanzipation der bürgerlichen Lebensweise von der bisherigen Dominanz des adeligen Verhaltenskodexes steht das alltägliche Empfindungs- und Verhaltensleben vor einer Revolution. Galten bisher die Kleidung des Adels, seine codierte Sprache, einstudierten Bewegungen und Zeremonien als unhinterfragtes Vorbild für die höchste Entwicklungsstufe des Menschseins, so entsteht mit dem bürgerlichen Leben eine Gegenposition der Aufrichtigkeit. In aller Verkürzung gesagt, stehen sich in diesem historischen Konflikt äußerliche Etikette und innerliche Wahrheit entgegen.2
Der Höfling spielte eine Rolle bei Hofe, dessen...