Nachruf
Hegelkant
Zum Abschied von Carl Hegemann
von Leander Haußmann
Assoziationen: Akteur:innen Dramaturgie Carl Hegemann
Erschienen am 16.5.2025

Es gibt Menschen, die kann man sich unmöglich tot vorstellen, weil sie so durch und durch am Leben sind. Umso unvorstellbarer ist es, dass Carl nicht mehr da ist. Carl war auf großartige Weise mit dem Leben verbunden – weil er sich interessierte und fest entschlossen war, sich nicht zu langweilen. Auf dieser Ebene trafen wir uns. Er war eine Theaterspinne. Ich kenne niemanden, der auf so elegante Weise vernetzt war wie er. Das kam uns am Schauspielhaus Bochum sehr zugute. Dem Vorurteil, dass Stücke Anfang und Ende haben müssen – fünf oder drei Akte und einen gewaltigen Schluss –, trat er entschieden entgegen. Das aristotelische Gefängnis des Erzählens wollte er niederreißen. Wir waren uns selten so einig wie darin, dass Theaterabende nicht enden sollten. Inzwischen ist das bei mir zur Manie geworden – ein Branding, das durchschnittliche Stadttheater-Intendant:innen nicht gerade jubeln lässt, geschweige denn zum Telefon greifen. Was bei mir oft nur eine Ahnung war, kleidete Carl in Worte. Viele Worte. Manche aufgeschrieben (u. a. in „Plädoyer für die unglückliche Liebe. Texte über Paradoxien des Theaters“, Theater der Zeit 2005), manche in seiner bedächtigen, lächelnden Art gesprochen – mit Zigarette, jeden Heureka-Moment nutzend, den er selbst hatte oder...
Erschienen am 16.5.2025