Nachruf
An den Wurzeln des neuen Theaters
Eine Erinnerung an Hans-Thies Lehmann
von Tom Stromberg
Erschienen in: Theater der Zeit: BRACK IMPERieT – „Hedda Gabler“ von Vegard Vinge und Ida Müller in Oslo (09/2022)
Assoziationen: Akteure Hans-Thies Lehmann
![Mit Beckett auf der Bank. Hans-Thies Lehmann in Griechenland.](/_next/image?url=%2Fapi%2Ffiles%2F2c750660-1384-4f2a-9b7a-d333f29f381d%2FHans-Thies-Lehmann-privat.jpg&w=3840&q=75)
Mein Exemplar seines Buches: Eselsohren, Klebezettel appliziert, schöne Sätze wie diesen markiert: „Mehr Gefahr droht der Tradition des geschriebenen Textes von musealer Konvention als von radikalen Formen des Umgangs mit ihm.“ Eine Menge angestrichener Textpassagen mit verschiedenen Stiften, also offenkundig zu verschiedenen Anlässen und Zeiten.
Postdramatisches Theater. Einfach so. Kein Untertitel, keine absichernden Einschränkungen – in der Wissenschaft eigentlich überlebenswichtig. Ein Buch, das neuere Theaterentwicklungen ernst nahm und sie der theoretischen Beschäftigung mit Theater.kunst zugänglich gemacht hat, sie für die Wissenschaft „adelt“. Ein Denkprozess weg von der Dominanz des Textes im Theater.
Seite 38 (Verlag der Autoren, Frankfurt a. M. 1999) lese ich immer wieder. Da geht es um das Wagnis experimentellen Theaters, um die Förderung, die Künstler brauchen, damit sie Kunst am Theater machen und nicht sonst wo. Um die Theater, die Risiken eingegangen sind und deshalb Dank verdienen. Diese Aufmunterung tut gut; ab und zu. Manchmal brauchen auch die Unterstützer Unterstützung.
„Die Intention dieser Studie geht nicht auf umfassende Inventarisierung“, so Lehmann, der mit dem Buschmesser eine Bresche schlägt durch den Realitätsdschungel Theater. „Aufgabe der Theorie ist es, das Gewordene auf Begriffe zu bringen, nicht es als Norm zu postulieren.“ Begriffstäter. Aber einer, der das Theater liebt,...