Im Rausch der Technik
von Andreas Kotte
Erschienen in: Zirkuskunst in Berlin um 1900 – Einblicke in eine vergessene Praxis (02/2025)
Bühnentechnik ist nicht notwendig, um Theater zu konstituieren. Aber sie verhilft bestimmten Theaterformen, darunter dem Zirkus, zu mehr Attraktivität. Sie kann die Raum- und Zeitwahrnehmung eines Geschehens steigern, Handlungen beschleunigen oder bremsen. Außerdem bewegt sie Dekorationen oder Menschen und macht Handlungen für ein großes Publikum sicht- und hörbar. Der Zirkus, möchte man meinen, brauche nur eine Manege, Artisten, Pferde, Clowns und Zauberer, vielleicht ein Zelt. Erst der Blick auf die fulminanten Zirkuspantomimen um 1900, kaum erforscht, aufgeführt in riesigen festen Gebäuden vor tausenden Zuschauenden, etabliert die Frage nach Bühnentechnik und möglicher Konkurrenz zum dramatischen Theater.
Säle für bis zu 5000 Menschen müssen erleuchtet werden und die teils großen Abstände zur Bühne verlangen nach einer Hervorhebung von einzelnen Personen durch Licht, ob am Trapez oder bei der Jonglage. Wenn also Circus Renz mit Kohlenbogenscheinwerfern experimentierte und Circus Salamonsky sie 1879 bereits einsetzte, so waren dies bahnbrechende Insellösungen, die der Beleuchtung wichtiger Plätze oder Straßen in den 1880er Jahren vorauseilten.
In der Nachfolge antiker Naumachien und barocker Teichtheateraufführungen in Buen Retiro, Versailles und Wien, boten Zirkusse auch Wasserpantomimen an. Circus Renz realisierte 1891 im Berliner Markthallenzirkus Dampfschiff- und Segelboot- Fahrten, Wasserfälle und Riesen-Fontänen. Im Folgejahr kam es zu Wasserkaskaden, Booten und Fontänen...