Kolumne
Ist das politisch oder machen wir Urlaub?
von Iwona Nowacka
Erschienen in: Theater der Zeit: Die Kürzungskatastrophe – Wie Einsparungen Theater bedrohen (01/2025)
Assoziationen: Dossier: Polen
Ein Jahr ist seit dem Regierungswechsel in Polen vergangen. Im Dezember 2023 hat Donald Tusk genau am 42. Jahrestag der Einführung des Kriegsrechts durch die kommunistische Regierung (ja, polnische Geschichte ist voll von Paradoxien) nach acht Jahren das Steuer von der rechten PiS übernommen. Wenn sich etwas jährt, sind viele für Resümees anfällig. Ich bin da eher vorsichtig. Was ist denn schon ein Jahr? Historisch gesehen gar nichts, das ist klar. Aber sogar in Anbetracht der davor liegenden acht düsteren Jahre. Ich würde also gerne auf ein solches verzichten. Es scheint mir wirklich voreilig.
Aber eine Sache lässt mich nicht in Ruhe. Ziemlich häufig werde ich im Ausland, und insbesondere in Deutschland, mit der Frage konfrontiert: Sag mal, stimmt es, dass das polnische Theater nun weniger politisch geworden ist? Oder: Sag mal, hat sich das polnische Theater jetzt ins Private zurückgezogen? Oder gleich direkter, als ob die These schon bestätigt worden wäre: Warum ist es so, interessieren sich denn die polnischen Theatermacher:innen nicht mehr für Politik? Und da muss ich jedes Mal so richtig staunen. Zum einen, weil es ein wenig wie ein Vorwurf klingt: Was denken sich die Pol:innen, machen sie jetzt Urlaub von Politik, ohne den Urlaubsantrag ausgefüllt...