Theater der Zeit

Auftritt

Halle: Dreifach Untergang

Neues Theater Halle: „Trilogie der Unschuld“ („Medea“ nach Euripides, Christa Wolf, Heiner Müller; „Mauser“ und „Quartett“ von Heiner Müller). Regie Henriette Hörnigk

von Thomas Irmer

Erschienen in: Theater der Zeit: Frank Castorf – „Wallenstein“ in Dresden (06/2022)

Assoziationen: Theaterkritiken Sprechtheater Sachsen-Anhalt Neues Theater Halle

Bettina Schneider als Merteuil und Alexander Gamnitzer als Valmont in „Quartett“ als Teil der „Trilogie der Unschuld“ in der Regie von Henriette Hörnigk.
Bettina Schneider als Merteuil und Alexander Gamnitzer als Valmont in „Quartett“ als Teil der „Trilogie der Unschuld“ in der Regie von Henriette Hörnigk.Foto: Bühnen Halle, Falk Wenzel

Der Bogen von der Vorgeschichte (Mythos ­Medea) über die blutige russische Geschichte (Tragödie der proletarischen Revolution) bis zum „Bunker nach dem Dritten Weltkrieg“, so die Regieanweisung Heiner Müllers für „Quar­tett“, ist groß gedacht. Henriette Hörnigk und Dramaturgin Sophie Scherer irritieren zwar mit ihrem Titel von der Unschuld, aber das katastrophische Denken in der Bezüglichkeit der drei Stücke aufeinander ist grandios ­angelegt: als Untergang in drei Varianten.

Mit „Medea“ entsteht als Auftakt der Kampf einer Frau gegen Königsherrschaft und Liebesverrat fast als psychologisches Drama in halbantiken weißen Gewändern. Christa Wolf hat in ihrer historisch begrün­deten Auffassung die Figur von der Dämo­nisierung befreit. Medea ist nicht die monströse Kindsmörderin und mit Zauberwaffen rächende Hexe, sondern die Betrogene, die in ein fremdes Land gelockt wurde, wo sie nur noch als Fremde behandelt wird, als Iason sie verlässt. Laura Lippmann spielt diese Medea zwischen lauter Auflehnung und Verzweiflung beinahe als geplagte Alleinerziehende mit ­einer treuen Amme (großartig: Franziska H­ayner) gegen eine Art Bankett-Tisch, an dem der Ex wegen günstiger politischer ­Allianzen Platz genommen hat. Das ist nicht gerade ein scharfer interpretatorischer ­Ansatz, aber durchaus erkennbar in feminis­tischer und auch humanistischer Interpreta­tion, dass von hier aus viel Unheil sich wiederholen wird. Die Regie lässt über...

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