Thomas Oberender:
Für uns ist dein Buch Down to Earth ein kleines Organon im Brecht’schen Sinne – ein praktisches Werkzeug, ein Leitfaden zur Verhaltensänderung. Das kommt den Absichten unseres gleichnamigen Projekts im Gropius Bau sehr nahe. Mich interessiert an unserer Zusammenarbeit sehr deine und Frédériques Faszination für das Theater. In deinem Buch sprichst du immer wieder in Theatermetaphern. Du schreibst: „Heute sind alle – Dekor, Kulissen, Hinterbühne: das gesamte Gebäude – auf die Bühnenbretter gestiegen und machen den Schauspieler*innen die Hauptrolle streitig.“ Das ist eine schöne Idee: Konflikte spielen sich auf der Bühne nicht mehr nur in der Sphäre des Zwischenmenschlichen ab, sondern auch die Dinge, all diese Einrichtungen, die eine Bühne bevölkern, sind ebensolche Akteur*innen. Das erinnert mich an die „systemische“ Sicht der Erde von James Lovelock. Seine Gaia-Theorie bewirkt einen ähnlich fundamentalen Weltbildwandel wie Galileo vor ungefähr 400 Jahren.
Bruno Latour:
Als Galileo Galilei im Jahr 1609 sein Teleskop in den Himmel richtete, entdeckte er Berge auf der Mondoberfläche. So wurde der Mond zu einer weiteren Erde und die Erde zu einem Stern unter vielen. Damit revolutionierte er die kosmische, aber auch die politische und soziale Ordnung seiner Zeit. Vier Jahrhunderte später werden Rolle und Position unseres Planeten...