Die Show startet, die Mauer stürzt ein – mit diesem fulminanten Bild beginnt Felipe Hirschs Inszenierung von „Eine lateinamerikanische Tragödie“, einem szenischen Kompendium, das 24 bekannte Autorenstimmen von Spanien bis Chile über Lateinamerika versammelt. Welch eine Kraftanstrengung, welch ein Auftakt, mit dem zugleich das iberoamerikanische Festival ¡Adelante! am Theater und Orchester Heidelberg eröffnet wird. Passender könnte es nicht sein. Denn der 1972 in Rio de Janeiro geborene Regisseur zeichnet mit großer Verve die Konturen eines durch und durch zerrissenen Kulturraums nach: zwischen Melancholie und Tango-Stimmung auf der einen und Erneuerungs- und Revolutionsimpuls auf der anderen Seite. Indem er anfangs die aus weißen Styroporsteinen errichtete Mauer von seinen 13 Schauspielern zum Einsturz bringen lässt – angesichts Trumps Grenzpolitik gegenüber Mexiko hochaktuell –, entsteht jedoch erst einmal keine Ordnung. Chaotisch liegen die Blöcke auf der Bühne. Erst später, als eine der Figuren in Dichtergebärde davon erzählt, wie er und die anderen europäischen Seefahrer die südamerikanischen Frauen als Sexsklavinnen missbrauchten, werden die Steine aufgesammelt und zu einem Berg im Hintergrund zusammengetragen.
Kann man etwas Neues aufbauen, wo so viel im Argen liegt? Wo Korruption und Gewalt in manchen Regionen und Milieus auf der Tagesordnung stehen? Es ist eine Atmosphäre auf dem schmalen Grat...