Was wäre, würde der Chor sich auf der Bühne versammeln und nichts tun? Er würde wohl sich selbst zum Symbol werden, das heißt in sich selbst als Bedeutung verharren. So ließe sich Judith Butlers neueste Publikation „Anmerkungen zu einer performativen Theorie der Versammlung“ zusammenfassen.
Den Ausgangspunkt bildet die Feststellung, dass eine Versammlung zuerst eine Ansammlung von Körpern ist. Das allein ist schon ein politischer Akt, noch vor den unterschiedlichen Forderungen der von Butler exemplarisch untersuchten Demonstrationen von Black Lives Matter, Pegida oder Occupy. Körper werden von Butler als aufeinander bezogen, relational, und verwundbar, vulnerabel, definiert: Sie können aufgrund ihrer Verwundbarkeit nur innerhalb des ökonomischen, infrastrukturellen und sozialen Beziehungsgeflechts existieren. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass Körper als Konglomerat von Diskursen begriffen werden müssen. Für die Versammlung als verkörperte Inszenierung ergeben sich nach Butler notwendig politische Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und für ein lebbares, nicht prekäres Leben: In der körperlichen Ansammlung wird die Gleichheit der Körper vorausgesetzt und politisch gelebt. Freiheit entsteht mit der Freiheit, in Erscheinung zu treten. Das ist im Kampf um die Öffentlichkeit als Platz politischen Handelns zwar um-, im Moment der Versammlung aber schon erstritten. Der Protest gegen Prekarität äußert sich gleichermaßen darin, dass die versammelten...