Der Körper denkt mit
von Viola Schmidt
Erschienen in: Mit den Ohren sehen – Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (04/2019)
In der Regel haben wir ein ausgesprochen feines Gespür dafür, dass in unserer Muttersprache etwas nicht stimmt. Wie kommt es dazu? Wenn es etwa darum geht, ob das Wasser aus dem Glas getrunken werden soll, erscheint uns die Konstruktion, ich möchte ein Glas mit Wasser trinken, ungewohnt und irgendwie nicht richtig. Wahrscheinlich würden wir auf die Präposition – mit – verzichten und die Formulierung, ich möchte ein Glas Wasser trinken, vorziehen. Das Wasser wird nun bereits im Glas angenommen, hat dort vorübergehend einen Platz gefunden. Es muss nicht mehr mit. Wir können uns die Präposition sparen. Andererseits ist der Satz nicht wörtlich gemeint. Wir trinken ja nicht das Glas, sondern das Wasser im Glas oder besser aus dem Glas. Erwähnenswert ist das Glas aber schon, da wir damit deutlich machen können, wie viel oder wenig Durst wir haben. Ich möchte einen Eimer Wasser trinken, würde auf starken Durst verweisen, ist aber auch nicht wörtlich zu nehmen und wird daher vorzugsweise mit einem anderen Hilfsverb versehen: Ich könnte einen Eimer Wasser trinken. Während die Bitte, ich möchte einen Schluck Wasser trinken, uns angemessen erscheint. Wie wir sehen, bilden sich unsere Vorstellungen von Raum und Zeit in der Sprache ab, bzw. ermöglicht...