Frau Leysen, im Juli haben Sie in einem offenen Brief (siehe www.theaterderzeit.de/2014/09) dargelegt, warum Sie als Schauspieldirektorin der Wiener Festwochen nach nur einer Ausgabe wieder ausscheiden. Sie beklagen die fehlende Vision des Festivals, feudalistische Verhältnisse in der Geschäftsführung und eine intransparente Organisations- und Finanzierungsstruktur. Zugleich sagen Sie aber auch, dass viele große europäische Festivals und Häuser heute mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Können Sie diese Entwicklung genauer benennen?
Man soll sich jeden Tag wieder fragen, was eine Institution soll. Unsere gesamte Umwelt verändert sich so stark – sozial, religiös, politisch und medial – und darum ist es essenziell, dass ein Festival seine Position darin die ganze Zeit neu befragt, genauso wie Künstlerhäuser oder andere Einrichtungen das tun müssen. Was ist ein Festival in einer Stadt, was könnte und muss es sein, was ist seine Rolle, seine Verantwortlichkeit? Wie ist das Verhältnis eines Festivals zu einer Spielzeit, wie zu den Künstlern? Diese Fragen stellen sich auf lokaler, nationaler, internationaler und schließlich interkontinentaler Ebene. Nicht nur, aber auch in Wien fehlt diese Reflexion absolut. Stattdessen sind die Festwochen und andere Festivals, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, zu so etwas wie Automatismen und schlicht zu Instrumenten des Citymarketings geworden....