Essay
Für ein Theater apparativer Dämonenbeschwörung
Wie kontrollierter Kontrollverlust von KI die Möglichkeiten des Theaters erweitern könnte
von Tina Lorenz
Erschienen in: Theater der Zeit: KI – Künstlerische Intelligenz? (09/2025)
Assoziationen: Theatergeschichte Dossier: Digitales Theater Antonin Artaud Edward Gordon Craig Burgtheater Wien
Es ist kein Zufall, dass das Stück der Stunde ausgerechnet ein amerikanisches Well-Made-Play ist: Ayad Akhtars „Der Fall McNeal“, gerade zu sehen in Wien, Berlin und demnächst Düsseldorf, befasst sich mit einem Autor, der seine eigene Leistung unlauter (weil klandestin) mit KI augmentiert, was zum einen zu einem Nobelpreis und zum anderen zu einer Identitätskrise des Schriftstellers führt. Ein Stück über Künstliche Intelligenz, verpackt in klare, narrativ repräsentative Struktur mit Figuren und deklarativen Regieanweisungen. In Akhtars Stück erfährt man wenig über KI, aber dafür sehr viel über menschliche Fehlbarkeit. Dass Künstliche Intelligenz das Potenzial hat, ganz wesentlich die Gesellschaft und wie wir miteinander leben zu verändern, ist in diesem Stück eher nebensächlich. Dafür gibt es aber eine ganze Reihe an Experimenten, die seit ein paar Jahren zeigen, dass Theater durchaus ein Interesse an KI als Werkzeug, Agent und gesellschaftlichem Transformationsfaktor hat. KI als Autor:in, als Regisseur:in, als Bühnenbildner:in oder als Brecht-Fan-Fiction-Bot bereichern die Theaterspielpläne. Dass das alles bisher noch wenig aufregend wirkt, könnte daran liegen, dass die Menschen hinter diesen Experimenten und vor allem die Entscheidungsträger:innen ihre Zügel nicht an die Maschine übergeben wollen. Zu groß die Gefahr, dass das Large Language Model, das man live auf der Bühne vor...
