Stalinismus ohne Stalin oder demokratischer Sozialismus?
von Thomas Wieck
Erste antistalinistische Demokratisierungsversuche begannen auf dem IV. Schriftstellerkongress 1956 mit der Rede von Ernst Bloch, die der durchschnittlich parteihörigen Literatur des Tages und damit auch der Mehrheit der eingeschüchtert zuhörenden und sich gedanklich wegduckenden Schriftsteller und Literaturpolitiker eine geharnischte Absage erteilte und sie aufrief eigenständig zu denken.1
Die gleiche Öde, unter der unsere begabten Studenten bei den marxistischen Grundlagen-Vorlesungen an den Universitäten häufig leiden, tritt auch vielen Schriftstellern bei mancher ideologischer Unterweisung entgegen. Das hält dann weithin von der echten, großen Unterweisung, von der Anstrengung des wirklichen Begriffs ab. Oft ist diese Unterweisung auch praktizistisch, dazu noch von besonders kurzfristigem Praktizismus, die Poesie in die jeweiligen Abschnitte des geltenden Fünfjahrplanes tranchierend. Die revolutionären Horizonte (es gibt ja keine anderen) werden dadurch oft matt, die aufgehende Sonne kann zuweilen so reklamehaft-schöngefärbt dreinsehen, als hätte sie amerikanische Zahncreme zu beleuchten oder auch das keepsmiling im Urlaub. Leid, Mühe, Sorgen, Hoffnungen, Abgründe in den menschlichen Beziehungen und gerade in den sich wandelnden einer neuen Zeit und ihrer schmerzlichen Geburt sehen sich oft auf ein Betriebssoll reduziert – gleich wie wenn Marx umsonst auf den zu entbindenden Reichtum der menschlichen Natur gewiesen hätte. Damit kein Mißverständnis entstehe: Gerade die Arbeit auf dem täglichen...