Die Welt des Barock strahlt eine eigentümliche Anziehungskraft aus. Die Architektur mit ihrer verschwenderischen Fülle, die Musik mit ihrem Optimismus und ihrer fast ungetrübten Harmonie, die in heutigen Ohren so gefällig klingt, ohne kitschig zu sein, die anschauliche Sprache mit leuchtend sinnfälligen, bis heute überlebenden, wenngleich ungebräuchlichen Ausdrücken wie „abluchsen“, „Höllenpfuhl“ oder „Schlangenbrut“ – ja, in diesen Kosmos schaut man liebend gerne zurück und kann sich kaum daran sattsehen und -hören. Speziell in den wortgewaltigen Libretti der Bachkantaten überlebt die Vitalität einer Epoche, in der in Gestalt des Dreißigjährigen Krieges eine der unbarmherzigsten Schlächtereien aller Zeiten über die europäische Bühne ging.
Berlin wurde schon erheblich früher „aus Sumpf geboren“, aber ohnedies ist die ursprüngliche Idee des Stücks von matthaei & konsorten für eine Aufführung in den Sophiensaelen, die „Geburtswehen“ einer späteren Metropole wie Berlin zu illustrieren, ein wenig aus dem Visier gerutscht oder diskret in den Hintergrund gerückt worden: Viel eher geht es jetzt, unter dem zart-vieldeutigen Untertitel einer „Barocknovela“, um eine freihändig vagierende Abhandlung über die Ambiguität des Barockzeitalters. Doch auch die lässt sich in ihrer Komplexität an einem einzigen Theaterabend kaum befriedigend darstellen. In einer (ob freiwillig oder unfreiwillig) parodistisch anmutenden dramaturgischen Intervention versucht der Regisseur Jörg Lukas...