2.4 Verschränkung der Sinne: Wahrnehmungstheoretische Prämissen
von Clemens Risi
Erschienen in: Recherchen 133: Oper in performance – Analysen zur Aufführungsdimension von Operninszenierungen (08/2017)
Wenn das Performative bezüglich der Aufführung als ein Prozess definiert ist, der sich in Handlungen der Darstellenden sowie Zuschauenden und Zuhörenden ereignet, kommt zum einen allen Beteiligten einer Aufführung (also eben auch den Zuschauenden und Zuhörenden) gleichermaßen eine maßgebliche Verantwortung für das Zustandekommen einer Aufführung zu, zum anderen wird deutlich, dass es auf die individuellen Erfahrungen jeder und jedes Einzelnen ankommt, die als Vollzug ernst genommen werden müssen und nicht von Werk- oder Autorintentionen abhängig oder darauf zurückzuführen sind. Gemeint ist damit, dass kein Ereignis unabhängig von der eigenleiblichen Erfahrung beschrieben werden kann. Zentraler Bezugspunkt für die vorliegende Studie sind daher neben der Aufführungstheorie insbesondere phänomenologische Überlegungen zur Aufhebung der Subjekt-Objekt-Dichotomie, also zur eigenleiblichen Erfahrung, sowie wahrnehmungspsychologische und -physiologische Untersuchungen, um Möglichkeiten der Beschreibung für die Bedingungen zu finden, unter denen sich die performativen Prozesse vollziehen.
Zur Notwendigkeit der Einbeziehung des Publikums in eine Theorie der Aufführung, insbesondere unter einer phänomenologischen Perspektive, schreibt Jens Roselt in seiner Phänomenologie des Theaters: „Eine Theorie der Aufführung, die der zeitlichen und räumlichen Eigenart des Theaters gerecht werden will, [hat] das Publikum in die Überlegungen stets einzubeziehen.“ Dabei, so macht er deutlich, „geht es nicht um ein Publikum, wie es sich die Verantwortlichen...