Theater an der außereuropäischen Peripherie
Modernisierungsversuche in Japan
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Assoziationen: Asien
Teilweise in betonter Kritik an – und auch im Austausch mit – dem großen tradierten Kabuki, hatte schon seit den 1880er Jahren ein ähnlicher Prozess der Erweiterung und Erneuerung der japanischen Theaterlandschaft durch die Vereinnahmung westlicher Modelle begonnen. Dies war eine Komponente der umfassenden gesellschaftlichen Modernisierung, die Japan seit 1868, den Meiji-Reformen, radikal verfolgte und mit einem sehr autoritären, zentralistischen politischen Regime in wenigen Jahrzehnten zu einem nicht unwichtigen Faktor des hochindustrialisierten kapitalistischen Weltsystems werden ließ. Die Reformen wurden wohl schnell und radikal durchgeführt, weil Japan wahrscheinlich die (Halb-)Kolonialisierung nach dem Beispiel Chinas drohte: Seit den 1850er Jahren bewegten sich nicht zufällig amerikanische Kanonenboote sehr auffällig an den Küsten Japans. 1886 begann die Regierung auf eine Reform des traditionellen Kabuki zu drängen und das Entstehen neuer Kabuki-Stücke zu fördern.101 Ein Ergebnis ist sein heutiger „Hollywood“-Charakter.102
Erste Ansätze eines modernen Theaters als Gegensatz zu dem die kulturelle Landschaft noch beherrschenden Kabuki gab es in den 1880er und 1890er Jahren; Vorbild war insbesondere das westliche Sprechtheater. Unabhängig vom Monopol der Kabuki-Theater, und bewusst gerichtet gegen das politisch und kulturell konservative Regime, machten Amateure der „Großen Japanischen Gesellschaft für die Reformation des Theaters“ 1888 ihre erste Inszenierung in Osaka. Zunächst wenig...