Der Karrierestress zwingt EU-Brüssel zum Zigarettenrauchen. Schon beim Personendefilee zu Beginn saugt sich Martin Susman (Martin Butzke) an einem Glimmstängel über die Bühne, als gäbe er ihm Halt. Mit dem hippen Schriftzug „Kulturbeutel“ auf seiner Tasche weist sich Susman als Beamter in kulturellen – ergo prestigelosen – Belangen aus. „Rauchen Sie?“, wird er einmal gefragt. „Wie ein Schornstein!“, antwortet er und tritt damit prompt ins verbale Fettnäpfchen. Er ist es nämlich, der das „Big Jubilee Project“ für die imagepolierende 50-Jahr-Feier der Europäischen Kommission in Richtung Holocaust orientiert und deshalb amtshalber Auschwitz besucht. Dort, zwischen den ehemaligen Verbrennungsöfen, sei Rauchen freilich untersagt, auch für KZ-„Guests of Honour“, berichtet er, konsterniert nicht über das Verbot, sondern den geschichtsvergessenen Marketingjargon.
Ist Robert Menasse am Werk, dessen vor Intelligenz funkelnde, vor Witz sprühende 450-Seiten-Romanvorlage „Die Hauptstadt“ (Deutscher Buchpreis 2017) dem Zürcher Theater Neumarkt seit der Premiere ausverkaufte Vorstellungen beschert, verlieren Wörter, Redensarten, Kalauer ihre Unschuld. Die Sprache ist diesem Schriftsteller ein doppelter Boden, den er uns unter den Füßen wegzieht – auf dass wir nie genau wissen, wo das Putzige in Sarkasmus kippt, inwiefern das Komische ernst gemeint sein könnte, wann die Satire ins Tragische mündet. Und so geschieht es nun auch im Theater....