Was macht das europäische Musiktheater unter prekären Bedingungen? Es hört ganz einfach auf zu singen. Den Rückgang von Gesang zugunsten performativ-schauspielerischer Praktiken hat man in den letzten Jahren im zeitgenössischen Musiktheater ohnehin als Tendenz beobachten können. Spardruck mag solche zunächst ästhetisch begründeten Entscheidungen noch weiter forciert haben. Beim von der Neuköllner Oper organisierten Festival Move Op!, das den semantischen Zusammenschluss von Europa, Prekariat und Musiktheater in den Untertitel transportierte, durfte man jetzt das radikal-reduktive Moment des Musiktheaters ganz ohne Gesang gleich zweimal erleben.
Zuerst fiel er bei einem selbsterdachten Gehweg-Monopoly über die Hintergründe der europäischen Schuldenkrise auf dem Trottoir vor der Neuköllner Oper aus. Danach beschränkten sich in der charmanten Produktion „Westwärts“ die famosen Musiker der Jazzcombo The Skopje Junction weitgehend auf Instrumentalmusik. Sie waren neben dem Saiten-Streichen und Tasten-Touchieren vor allem schwer damit beschäftigt, sich der landläufigen Klischeevorstellungen über Musik vom Balkan zu erwehren, mit denen der Schauspieler Kai Meyer sie überhäufte.
Meyer, ein blonder Ostfriese wie aus dem Regionalbilderbuch herauskopiert, war mit seiner an sich schon hochkomplexen Rolle als Schauspieler, der sich seine Brötchen als Schleuser von nicht unbedingt schleusungswilligen Personen verdient (die Musiker der Combo) und davon träumt (und dann wieder davon angewidert ist), in Hollywood Karriere...