2.2. Deutsche Alpträume, oder: Die unregulierte Mutter
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)
Schauplatz dieses ersten von Lohensteins »Römischen Trauerspielen«36 ist der römische Kaiserhof unter Nero. Aufgrund der zahlreichen Intrigen und plötzlichen Kehrtwendungen ist die Handlung des Stückes reichlich verwirrend, schon die Vorgeschichte ist eine einzige Abfolge falscher Vorspiegelungen und geheimer Ränke. Nero hat den Thron dem mörderischen Taktieren seiner Mutter Agrippina zu verdanken: Als Tochter des Kaisers Germanicus heiratete Agrippina nach dessen Tod zunächst ihren Onkel Claudius und wurde so zur Kaiserin. In dieser Position stach sie Claudius’ Sohn Britannicus als rechtmäßigen Thronfolger aus und vergiftete anschließend ihren Ehemann mit einem Pilzgericht, wodurch der Weg für Nero frei wurde. Nero wiederum ließ Britannicus ohne die Zustimmung Agrippinas umbringen. Lohensteins Drama setzt ein, als Neros Vertrauter Otho dem Kaiser gerade in langen Schilderungen die sexuellen Vorzüge seiner eigenen Frau Poppæa ausmalt, weil er sich insgeheim von einer Beziehung Neros mit Poppæa politische Vorteile erhofft. Inmitten dieses Anstachelungsspiels erfährt Nero von seinen Höflingen, den »Trabanten«, dass seine Mutter Agrippina einen Mordanschlag auf ihn plane: Sie wolle ihren neuen Geliebten zum Kaiser machen, um selbst wieder auf den Thron zu gelangen. Nero gibt Befehl, Agrippina zu töten. Diese tauscht derweil mit Neros Frau Octavia Klagen über den Sohn bzw. Ehemann aus, der seine Gattin vernachlässigt...