Zwischenergebnis zu „Der Schutz von Kunstereignissen als Schwellenerfahrung im Sinne des offenen Kunstbegriffs“
Erschienen in: Recherchen 168: Der urheberrechtliche Schutz performativer Kunst – Theater, Aktion, Performance (09/2023)
Die Auslegung des Kunstbegriffs in Kapitel F hat gezeigt, dass nach dem Normzweck des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auch Ereignisse als Kunst vom offenen Kunstbegriff erfasst werden – obwohl sie gerade keine Werke nach traditioneller Lesart sind.
Bereits nach einem – im Sinne Kummers – richtig verstandenen offenen Kunstbegriff schützt Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG als Kunst die ästhetische Erfahrung im Sinne einer Schwellenerfahrung. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass der Rezipient des Kunstwerkes sich mit diesem fortlaufend auseinandersetzt und ihm dabei fortlaufend neue Bedeutungen beimisst, die ihn das Kunstwerk jedes Mal anders wahrnehmen lassen, wodurch er wiederum neue Bedeutungen erkennt, und so fort.
Diese Schwellenerfahrung als ästhetische Erfahrung gibt es auch und erst recht bei Aufführungen des Theaters und der Aktions- und Performancekunst. Sie ergibt sich aus deren Performativität, wie sie vom engagierten Kunstbegriff vorausgesetzt wird. Diese löst körperliche Reaktionen bei den Zuschauern aus und destabilisiert deren Selbst- und Weltwahrnehmung, weil sie laufend zwischen dem, was sie wahrnehmen und fühlen, und dem, was dies jeweils für sie bedeutet, hin und her schwanken. Wirkung und Bedeutungsbeimessung wechseln sich ab und schaukeln sich gegebenenfalls sogar auf, verstärkt noch durch die ebenfalls wechselwirkende Feedback-Schleife zwischen Darstellern und Publikum....