3.1. Relative Zeiten
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)
Wie verhält es sich nun mit den Zeittheorien des 17. Jahrhunderts? In Newtons Physik erscheint Zeit, parallel zum Raum, als Absolutum, als gleichförmiger, pfeilartiger Strom, in dem die Dinge quasi mitschwimmen und der unabhängig von ihnen dahinfließt. »So wie die Anordnung der Teile der Zeit unveränderlich ist, so auch die Anordnung der Teile des Raumes«, schreibt Newton, und: »In der Zeit sind alle Dinge nach Abfolge, im Raum nach Anordnung der Lage platziert.«50 Aus dieser Perspektive lässt sich Zeit genau wie Raum mittels relativer Maße unterteilen und messen. Die Maßeinheit der Geschwindigkeit bestimmt sich dabei wieder nach dem Grundsatz »von Ort zu Ort«, nur dass die Orte diesmal Markierungen auf dem Zeitpfeil sind. Aber auch in Leibniz’ Fall verklammern sich Raum und Zeit, wie sein Beispiel des Stammbaumes plastisch verdeutlicht. Zudem habe ich schon darauf hingewiesen, dass Leibniz die Zeit als ebenso wenig unabhängig von den Dingen betrachtet wie den Raum und dazu gegenüber Clarke das theologische Argument vom »zureichenden Grund« anführt. Wie der Raum ist für Leibniz also auch die Zeit etwas, das nicht als solches existiert, sondern erst mit den Dingen entsteht und nichts anderes ausdrückt als ihre Relationen – diesmal nicht in Bezug auf ihre Gleichzeitigkeit, sondern...