Zwei historische Phasen des Populismus
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Das Gespenst des Populismus – Ein Essay zur politischen Dramaturgie (01/2017)
In den USA gründete sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die People’s Party, in der sich verarmte Bauern zusammenschlossen, die durch den Bau der Eisenbahn und die entstehende Finanzindustrie immer radikaler um ihren Erwerb gebracht wurden. Ihre Vorschläge lesen sich aus heutiger Sicht wie moderate Schritte hin zu einer etwas gerechteren Gesellschaft. So sollte eine Einkommenssteuer eingeführt und das Zinsmonopol der Banken durch ein anderes Währungssystem aufgebrochen werden. Für die damaligen Eliten kam dieser Populismus aber dem Aufruf zur Revolution gleich. Sie fürchteten die Entmachtung der Banken und eine Kontrolle des Finanzkapitals.6 Die Erfolge, die die People’s Party erringen konnte, sind hingegen wesentlich für die Sozialdemokratisierung des Raubtierkapitalismus in den USA, und ihre Popularität begann erst zu schwinden, als die schlimmsten Exzesse eingedämmt waren.
Die russischen Narodniki verfolgten eine ähnliche Strategie, wenngleich ihr Feind die zaristische Herrschaft war und ihre Erfolge erst eintreten konnten, als sie sich mit der leninistischen Partei zur Revolution verbunden hatten. Beiden historischen Populismen ist gemeinsam, dass sie einer prekären Gruppe in der Gesellschaft zu einer gemeinsamen Stimme verhelfen konnten. Dabei verwenden sie die Unterscheidung zwischen einem Wir, dem es schlecht geht, und einem Anderen, der hierfür die Ursache ist.
Bei der People’s...